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15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

5. - 7. Oktober 2016, Berlin

Welche Patienten nehmen nach Implantation einer Hüft- oder Knietotalendoprothese eine Anschlussrehabilitation in Anspruch?

Meeting Abstract

  • Sabrina Ritter - Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität Ulm, Bad Buchau, Deutschland
  • Julia Dannenmaier - Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität Ulm, Bad Buchau, Deutschland
  • Silke Jankowiak - Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität Ulm, Bad Buchau, Deutschland
  • Rainer Kaluscha - Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität Ulm, Bad Buchau, Deutschland
  • Gert Krischak - Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität Ulm, Bad Buchau, Deutschland

15. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 05.-07.10.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocFV26

doi: 10.3205/16dkvf009, urn:nbn:de:0183-16dkvf0099

Veröffentlicht: 28. September 2016

© 2016 Ritter et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Für Patienten bestehen nach einer Implantation einer Hüft- oder Knie-Totalendoprothese (TEP) zwei Weiterbehandlungsmöglichkeiten im Anschluss an einen akutstationären Aufenthalt: zum einen die Behandlung in einer ambulanten oder stationären Rehabilitationseinrichtung entweder direkt nach dem Akutaufenthalt oder mit vorangegangener häuslicher Übergangszeit und zum anderen ist auch die ausschließliche Inanspruchnahme ambulanter Leistungen (keine medizinische Rehabilitation) möglich.

Fragestellung: Die vorliegende Analyse ging der Frage nach, welche Merkmale die Inanspruchnahme einer Anschlussrehabilitation (AHB) nach der Implantation einer Hüft- oder Knie-TEP beeinflussen?

Methode: Dieser Sekundärdatenanalyse liegen Routinedaten der AOK Baden-Württemberg sowie der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg und der Deutschen Rentenversicherung Bund zu Grunde. Die Identifikation der Patienten mit einer TEP an Hüfte oder Knie erfolgte anhand der Operationen- und Prozedurenschlüssel sowie der entsprechenden Diagnose. Mittels zwei indikationsspezifischer logistischer Regressionsmodelle (Backward-Selektion) wurden Prädiktoren der Inanspruchnahme einer AHB ermittelt. Dabei wurden soziodemografische Variablen (Alter, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, Versichertenart), Komorbiditäten nach ICD-10 sowie ambulante und stationäre Leistungen (u.a. Frührehabilitation und Krankenhauskosten) einbezogen.

Ergebnisse: Das Modell für Hüft-TEP-Patienten zeigte folgende Ergebnisse: Patienten zwischen 25 und 30 bzw. 41 und 50 Jahren nahmen gegenüber älteren Patienten (61-63 Jahre) deutlich seltener eine AHB in Anspruch. Zudem gingen männliche Patienten sowie Patienten mit ausländischer Staatsangehörigkeit seltener in eine Rehabilitationseinrichtung. Erlitten Patienten vor ihrem Akutaufenthalt eine Schenkelhalsfraktur oder litten sie an einem Dekubitus, so war die Rehabilitationsinanspruchnahme deutlich geringer. Eine geringere Arbeitsunfähigkeitsdauer im Quartal vor der Operation ging mit einer häufigeren Inanspruchnahme einher.

Bei Knie-TEP-Patienten waren ebenfalls soziodemografische Merkmale prädiktiv für die AHB-Inanspruchnahme. Patienten im Alter von 41 bis 50 Jahren sowie Männer nahmen deutlich seltener eine AHB in Anspruch. Deutsche Patienten gingen 2,2-mal häufiger zur Rehabilitation als Patienten anderer Staatsangehörigkeit. Während Patienten mit einer Herzerkrankung im Vorfeld der OP häufiger eine AHB durchführten, nahmen Patienten mit einer Blutgerinnungsstörung seltener eine Rehabilitation in Anspruch.

Bei beiden Indikationen standen behandlungsspezifische Merkmale in Zusammenhang mit der Inanspruchnahme einer AHB. So führten Patienten, die während des Akutaufenthalts frührehabilitative Einzelmaßnahmen erhalten hatten, häufiger eine AHB durch. Höhere Kosten für Schmerzmedikamente gingen mit einer geringeren AHB-Inanspruchnahme einher.

Beide Modelle konnten für 67% der Hüft-TEP-Patienten und 62% der Knie-TEP-Patienten die Inanspruchnahme korrekt vorhersagen.

Diskussion und praktische Implikation: Die Inanspruchnahme einer Anschlussrehabilitation wird sowohl von soziodemografischen Merkmalen (Alter, Geschlecht, Staatsangehörigkeit) als auch von Komorbiditäten, Behandlungen sowie Medikamentenverordnungen beeinflusst. Mögliche Gründe für die geringere Rehabilitationsinanspruchnahme durch ausländische Patienten könnten u.a. Informationsdefizite, Sprachbarrieren oder soziokulturelle Faktoren sein. Die Chance für die Durchführung einer AHB war erhöht, wenn Patienten frührehabilitative Maßnahmen während des Akutaufenthalts durchführten, sodass diese Maßnahmen vermutlich zur Sicherung der Rehabilitationsfähigkeit beitragen. Dennoch wäre zu diskutieren, inwiefern die Nichtinanspruchnahme der Rehabilitation durch fehlende Rehabilitationsfähigkeit oder fehlenden Bedarf erklärt werden kann. Dazu sollen Ergebnisse zwischen Rehabilitanden und Nichtrehabilitanden verglichen werden. Einschränkend ist zu beachten, dass subjektive Angaben zum Beispiel zur familiären Situation nicht in den Routinedaten enthalten sind. Dies könnte ein möglicher Grund für die lediglich befriedigende Modellgüte sein. Dennoch ermöglicht diese sektorenübergreifende Analyse eine detaillierte Darstellung der akutstationären, ambulanten und rehabilitativen Versorgungssituation.

Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund