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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Unterschiede zwischen Teilnehmern verschiedener Bildungsleistungen in der beruflichen Rehabilitation

Meeting Abstract

  • Lucia Schmid - Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität Ulm, Bad Buchau, Deutschland
  • Rainer Kaluscha - Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität Ulm, Bad Buchau, Deutschland
  • Silke Jankowiak - Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität Ulm, Bad Buchau, Deutschland
  • Gert Krischak - Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität Ulm, Bad Buchau, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocP056

doi: 10.3205/15dkvf291, urn:nbn:de:0183-15dkvf2913

Veröffentlicht: 22. September 2015

© 2015 Schmid et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die Rehabilitation, als dritte Säule im Gesundheitswesen, umfasst bei Bedarf auch Leistungen zur beruflichen Wiedereingliederung (Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, LTA). Hierzu zählen u.a. Integrationsmaßnahmen, Teilqualifizierungen sowie Vollausbildungen. Während mittels Vollausbildungen ein formaler Abschluss in einem Lehrberuf erworben wird, soll in Integrationsmaßnahmen durch die Kombination von Wissensvermittlung und Praktikum die Wiedereingliederung erreicht werden. Teilqualifizierungen ermöglichen den Erwerb einer Zusatzqualifikation in einem Berufsfeld. Die genannten Maßnahmen weichen in Inhalt, Dauer, Struktur und Betreuungsintensität deutlich voneinander ab. Aus ökonomischer Sicht sowie für den Maßnahmenerfolg ist eine bedarfsgerechte Zuweisung zu den Leistungen von besonderer Relevanz. In einem Kooperationsprojekt des Forschungsinstituts, eines Berufsförderungswerks sowie eines Rentenversicherungsträgers wird der Frage nachgegangen, welche Maßnahme für welche Rehabilitanden am erfolgversprechendsten ist.

Fragestellung: Im Zentrum des Beitrags steht die Teilfragestellung, in welchen Merkmalen sich die Teilnehmer in den genannten beruflichen Bildungsmaßnahmen unterscheiden. Die Analysen liefern erste Hinweise auf die aktuelle Zuweisungspraxis in die Maßnahmen.

Methode: Basis dieser Arbeit bildet eine anonymisierte Version der Routinedaten (Rehabilitationsstatistikdatenbasis, RSD) des kooperierenden Rentenversicherungsträgers. Diese enthält u.a. Informationen zu den durchgeführten beruflichen Rehabilitationsmaßnahmen sowie soziodemographische und sozialmedizinische Daten der Rehabilitanden. In die Analysen wurden alle Rehabilitanden eingeschlossen, die im Untersuchungszeitraum (2005–2012) im kooperierenden Berufsförderungswerk eine Bildungsmaßnahme absolviert haben. Sofern von einem Rehabilitanden mehrere Maßnahmen absolviert wurden, wurde nur die chronologisch erste Maßnahme berücksichtigt. In den Auswertungen wurden Gruppenvergleiche zwischen den Maßnahmen durchgeführt.

Ergebnisse: In die Arbeit konnten die Daten von 1.389 Rehabilitanden eingeschlossen werden. In der Stichprobe befanden sich mehr Männer (84,7%; N=1.176) als Frauen. Das Durchschnittsalter der Teilnehmer lag bei 42,7 Jahren (±7,4 Jahre). Fast die Hälfte der Rehabilitanden nahm an einer Integrationsmaßnahme teil (47,5%; N=660). Ein Drittel absolvierte eine Teilqualifizierung (31,9%; N=443). Den Abschluss einer Vollausbildung strebten 20,6% (N=286) der Rehabilitanden an.

Während sich das Alter zwischen Rehabilitanden in Integrationsmaßnahmen von denen in Teilqualifizierungen nur gering unterschied, waren Rehabilitanden in Vollausbildungen mit durchschnittlich 36,6 Jahren ca. 8 Jahre jünger. Im Vergleich der Maßnahmentypen fand sich der größte Anteil an Frauen (21,5%; N=142) bei Integrationsmaßnahmen, Männer absolvierten am häufigsten Teilqualifizierungen (90,3%; N=400). Bei Analyse des Qualifizierungsniveaus der Rehabilitanden war der Anteil an angelernten/ungelernten Arbeitern in Integrationsmaßnahmen (31,1%; N=205) deutlich höher als in den anderen Maßnahmentypen. Der Anteil an Facharbeitern war wiederum in Vollausbildungen am größten (74,1%; N=212).

Zwei Jahre vor der beruflichen Rehabilitation wiesen Teilnehmer an Integrationsmaßnahmen das geringste (15.026 Euro) und Teilnehmer an Teilqualifizierungen das höchste (17.525 Euro) durchschnittliche Jahresbruttoeinkommen auf. Drei Monate vor Beginn der beruflichen Rehabilitationsmaßnahme war der Anteil an Rehabilitanden im Übergangs-/Krankengeld in Vollausbildungen höher als in Integrationsmaßnahmen und Teilqualifizierungen. Demgegenüber war bei diesen Maßnahmen der Anteil an, Rehabilitanden im Arbeitslosengeld-I-Bezug größer.

Diskussionen: Die vorliegenden Ergebnisse beleuchten die aktuelle Zuweisungspraxis zu beruflichen Bildungsleistungen. Ältere Rehabilitanden werden vermutlich aufgrund der geringeren verbleibenden Lebensarbeitszeit seltener kostenintensiven Umschulungsmaßnahmen zugewiesen. Zudem scheinen im Vergleich der Maßnahmentypen höher qualifizierte Rehabilitanden, die häufig auch ein höheres Einkommen aufweisen, eher Teilqualifizierungen oder Vollausbildungen zugewiesen zu werden. Rehabilitanden mit geringerem Qualifizierungsniveau absolvieren eher Integrationsmaßnahmen.

Es gilt zu überprüfen, ob sich die hier gefundenen Unterschiede im Teilnehmerkreis auch auf andere Leistungserbringer sowie andere Regionen übertragen lassen.

Praktische Implikationen: Diese Untersuchung bildet den ersten Analyseschritt einer komplexen Fragestellung. Da bisher keine klaren Zuweisungskriterien bestehen, bleibt unklar, inwieweit der Zugang zu unterschiedlichen beruflichen Bildungsleistungen bedarfsgerecht erfolgt. Im Weiteren werden daher durch Gegenüberstellung von Teilnehmereigenschaften und Maßnahmenergebnissen (z.B. Erwerbsstatus) Hinweise für eine adäquate Zuweisung gewonnen.