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Ökonomische Relevanz alternativer Versorgungsmodelle für akut erkrankte Altenheimbewohnerinnen und -bewohner: Beispielindikation Pneumonie
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Veröffentlicht: | 22. September 2015 |
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Hintergrund: Atemwegsinfektionen mit Verdacht auf Pneumonie führen bei Altenheimbewohnerinnen und –bewohnern häufig zur Einweisung ins Krankenhaus, obgleich die für Patienten in höherem Alter empfohlene engmaschige Überwachung, sichere Medikamenteneinnahme wie auch ausreichende Hydration [1] in der stationären Pflege grundsätzlich gewährleistet werden könnte und auch eine kontinuierliche ärztliche Versorgung möglich wäre. Die Hospitalisierung ist für ältere Pflegebedürftige nicht nur bei Vorliegen demenzieller Erkrankungen mit besonderen Risiken verbunden (nosokomiale Infektionen, erhöhtes Sturzrisiko u.a.). Gesundheitsökonomische Studien aus den Vereinigten Staaten weisen auf Möglichkeiten zur Verbesserung der Versorgung und zur Senkung der Ausgaben hin [2], [3].
Zielsetzung: Eine Schätzung der gesamtwirtschaftlichen Bedeutung von Krankenhausbehandlungen mit der Indikation Pneumonie bei Pflegeheimbewohnerinnen und –bewohnern soll Hinweise zu Einsparpotentialen alternativer Versorgungsmodelle geben.
Methodik: Zur Identifizierung von Krankenhauseinweisungen aus dem stationären Pflegesetting wurden Daten von zwei Krankenversicherungen zu Krankenhausbehandlungen mit Hauptdiagnose Pneumonie im Jahr 2013 (ICD J18 oder J69) mit den DRG (E77F, E77G, E77I, E42Z) und mit den Daten zu Empfängern stationärer Pflegeleistungen zusammengeführt. Die resultierende Fallzahl wurde im Verhältnis zur Anzahl stationär Pflegebedürftiger linear auf das Gesamtsystem der gesetzlichen Krankenversicherung extrapoliert. Über die DRG-Fallwerte (Basisentgelt 2013 ohne Zuschläge) wird eine Schätzung der Ausgaben vorgenommen.
Ergebnisse: Ausgewertet wurden die Daten des AOK-Systems mit 381.519 Versicherten in stationärer Pflege sowie der Barmer-GEK mit 86.184 stationär Pflegebedürftigen in 2013. Damit konnten insgesamt 63,2 % aller gesetzlich Versicherten im Bereich der stationären Pflege erfasst werden. Hochgerechnet auf das System der gesetzlichen Krankenversicherung ergeben sich geschätzte Ausgaben aufgrund von Krankenhausbehandlungen mit der Diagnose Pneumonie in Höhe von 163,7 Mio. Euro für das Jahr 2013.
Diskussion: Eine leitliniengerechte Versorgung bei Atemwegsinfektionen mit Verdacht auf Pneumonie wäre im Altenheim grundsätzlich möglich, wird jedoch durch Anreiz- und Versorgungsstrukturen in der stationären Pflege erschwert. So wird zusätzlicher Pflege- und Koordinationsaufwand bei akuten Erkrankungen im Altenheim nicht gesondert vergütet. Die ambulante ärztliche Versorgung von Pflegeheimbewohnerinnen und –bewohnern ist auf Hausbesuche außerhalb der Sprechzeiten beschränkt und für Ärzte häufig unwirtschaftlich. Neben diesen Systemfaktoren ist indikationsspezifisch anzumerken, dass die bei Verdacht auf Pneumonie wünschenswerte Röntgenuntersuchung bei der Patientengruppe zu erheblichem Transportaufwand, Wartezeiten, nicht selten daraus folgend zu Dehydration und einer Verschlechterung des Gesamtzustandes führen kann. Angesichts der ökonomischen Relevanz sollte hier u.a. der Einsatz mobiler Röntgengeräte geprüft werden. Alternative Versorgungsmodelle für akut erkrankte Pflegebedürftige sind in Deutschland bisher wenig beforscht und gewinnen bei sich ändernder Altersstruktur an Bedeutung.
Limitationen: Bei der linearen Extrapolation der Ausgaben wird eine kassenunabhängige Morbidität bei stationär Pflegebedürftigen und eine ICD- und DRG-Verteilung wie im ausgewerteten Datenset angenommen. Nicht berücksichtigt werden ggf. nachträgliche Korrekturen durch den MDK. Die Einschränkung auf ausgewählte ICD-DRG-Kombinationen führt zu einer Unterschätzung der Gesamtausgaben im System der gesetzlichen Krankenversicherung. Pflegebedürftige aus der PKV sind nicht erfasst.
Hinweis: Die Studie ist Teil des Projekts „Innovative Versorgung von akut erkrankten Bewohnerinnen und -bewohnern im Altenheim (IVA)“ und wurde durch Mittel des Ministeriums für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen und des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung gefördert (FKZ: 005-GW03-138).
Literatur
- 1.
- Höffken G, Lorenz J, Kern W, et al. Epidemiologie, Diagnostik, antimikrobielle Therapie und Management von erwachsenen Patienten mit ambulant erworbenen unteren Atemwegsinfektionen sowie ambulant erworbener Pneumonie – Update 2009. Pneumologie. 2009;63(10):e1-68.
- 2.
- Kruse RL, Mehr DR, Boles KE, et al. Does hospitalization impact survival after lower respiratory infection in nursing home residents? Medical Care. 2004;42(9):860-70.
- 3.
- Loeb M, Carusone SC, Goeree R, et al. Effect of a clinical pathway to reduce hospitalizations in nursing home residents with pneumonia: a randomized controlled trial. JAMA. 2006;295(21):2503-10.