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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Ressourcenverbräuche und Kosten im Zusammenhang mit rheumatischen Erkrankungen im Alter in Deutschland: eine retrospektive Routinedatenanalyse gesetzlich Versicherter

Meeting Abstract

  • Miriam Kip - IGES Institut GmbH, Versorgungsforschung, Berlin, Deutschland
  • Robert Haustein - IGES Institut GmbH, Arzneimittelmarkt, Berlin, Deutschland
  • Susanne Engel - WINEG, Hamburg, Deutschland
  • Roland Linder - WINEG, Hamburg, Deutschland
  • Hans-Holger Bleß - IGES Institut GmbH, Versorgungsforschung, Berlin, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocP131

doi: 10.3205/15dkvf230, urn:nbn:de:0183-15dkvf2302

Veröffentlicht: 22. September 2015

© 2015 Kip et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die rheumatischen Erkrankungen rheumatoide Arthritis (RA), ankylosierende Spondylitis (AS) und Psoriasis Arthritis (PsA) zählen zu den häufigsten rheumatischen Erkrankungen in Deutschland und sind mit einem ausgeprägten Spektrum an Begleiterkrankungen assoziiert. Diese entsprechen Krankheitsbildern, die auch im Alter gehäuft vorkommen. Leistungserbringer und Kostenträger stehen somit vor den besonderen Herausforderungen der Behandlung der rheumatischen Erkrankung selbst sowie davor, der Behandlung der assoziierten Begleiterkrankungen gerecht zu werden.

Fragestellung: Ziel der Analyse ist die nach Leistungssektor differenzierte Darstellung der Ressourcenverbräuche und Kosten von Patienten = 65 Jahre mit RA, AS oder PsA.

Methode: Die vorliegende Studie ist eine retrospektive, kontrollierte Kohortenstudie. Datenbasis sind Routinedaten der Techniker Krankenkasse von Patienten = 65 Jahre, die im Studienzeitraum (2009-2012) durchgängig versichert und in Deutschland wohnhaft waren (n = 903.856). Patienten mit mindestens einer Diagnose (ICD-10 GM) M05, M06 (RA), M45 (AS) oder L40.5 (PsA) wurden berücksichtigt. Jeder Indikationsgruppe wurde eine in Alter und Geschlecht vergleichbare Kontrollgruppe mit Patienten ohne RA, AS oder PsA im direkten Matched-Pairs-Verfahren gegenübergestellt (Kontrollgruppenansatz, Inkrementalansatz). Ergebnisse werden als Anzahl (n) und Anteile (%) oder als Mittelwert (MW) und Standardabweichung (standard deviation, SD) berichtet. Die Feststellung der Unterschiede zwischen den Gruppen für dichotome Variablen erfolgte mittels Chi2-Test und bei einer Anzahl < 5 mittels Fishers exakten Test. Unterschiede zwischen den Gruppen für kontinuierliche Variablen wurden mittels T-Test für unabhängige Gruppen ermittelt. Als Signifikanzniveau wurde a = 0,05 gewählt (p<0,05).

Ergebnisse: Die Untersuchung schloss n = 25.165 Patienten mit RA, n = 4.835 mit AS und n = 2.741 Patienten mit PsA ein. Die Erkrankungs-assoziierte Komorbidität war für alle drei Indikationen ausgeprägt. Insbesondere kardiovaskuläre Manifestationen der Erkrankungen wurden gehäuft vorgefunden. Es zeigte sich, dass Patienten mit RA, AS oder PsA jährlich im Durchschnitt signifikant häufiger ambulante Fälle verursachten als Patienten der Kontrollgruppe. Trotzdem besuchte nur ein kleiner Anteil der Patienten mit dokumentierter rheumatischer Erkrankung einen Rheumatologen. Die Verordnungsraten von Disease Modifying Anti-Rheumatic Drugs (DMARD) und Biologika für die Therapie der RA bzw. PsA bzw. Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) und Biologika für die Behandlung der AS waren insgesamt niedrig. Die jährliche mittlere Menge an Tagesdosen der DMARD betrug pro Patient (RA) zwischen 70,5 und 57,3 DDD (defined daily doses) bzw. zwischen 87,2 und 71,8 DDD (PsA) und an NSAR zwischen 63,1 und 52,4 DDD (AS). Die jährliche mittlere Menge an Tagesdosen der verordneten Biologika betrug pro Patient zwischen 7,4 und 8,5 DDD (RA), zwischen 5 und 6,5 DDD (AS) bzw. zwischen 11,8 und 13,2 DDD (PsA). Des Weiteren zeigte sich, dass Patienten mit RA, AS oder PsA im Durchschnitt signifikant häufiger bei längerer Verweildauer stationäre Fälle verursachten als Patienten der Kontrollgruppen.

Die direkten mittleren Gesamtkosten (ambulant, Krankenhaus, Kur, Arzneimittel sowie Heil- und Hilfsmittel) aus Perspektive der Krankenkasse für die Behandlung von Patienten = 65 Jahre mit RA, AS, PsA waren im Vergleich zu der Kontrollgruppe signifikant höher. Die RA-, AS- bzw. PsA-spezifischen direkten Kosten betrugen pro Patient = 65 Jahre mit RA zwischen 5.221 Euro (2010) und 4.805 Euro (2012), mit AS zwischen 4.611 Euro (2010) und 4.097 Euro (2012) und mit PsA zwischen 5.699 Euro (2010) und 6.287 Euro (2012).

Diskussion: Die Ressourcenverbräuche von Patienten = 65 Jahre mit rheumatischen Erkrankungen sind im Vergleich zu Patienten ohne rheumatische Erkrankungen hoch. Gleichzeitig ist eine beträchtliche Krankheitslast durch assoziierte Erkrankungen zu beobachten. Es gibt Hinweise auf eine Fehlversorgung hinsichtlich einer Leitlinien-konformen Arzneimitteltherapie der RA, AS oder PsA. Die Kostenparameter Arzneimittel sowie ambulante und stationäre Fallkosten machten den Großteil der entstandenen Kosten aus. Die Behandlung von Patienten = 65 Jahre mit PsA ist mit den höchsten indikationsspezifischen Kosten verbunden. Maßnahmen, die eine rechtzeitige und adäquate Versorgung ermöglichen, sind daher notwendig, um schwere Krankheitsverläufe zu verhindern und das Risiko der assoziierten Komorbidität zu senken. Gleichzeitig ist eine Optimierung der sektorübergreifenden Behandlung festzustellen.

Praktische Implikationen: Behandlungsprogramme zur besseren kontinuierlichen Einbeziehung von Rheumatologen in das Behandlungsgeschehen könnten eine Möglichkeit sein, die Versorgung der Patienten mit rheumatischen Erkrankungen im Alter zu verbessern und Kosten zu senken.