gms | German Medical Science

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Erste Analyse der Kosten und Nutzen einer Therapie mit einem 8% Capsaicin-Pflaster bei Notalgia parästhetika und brachioradialem Pruritus

Meeting Abstract

  • Sabine Steinke - Universitätsklinikum Münster, Klinik und Poliklinik für Hautkrankheiten, Münster, Deutschland
  • Mandy Gutknecht - CVDerm, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Deutschland
  • Annette Dieckhöfer - Universitätsklinikum Münster, Klinik und Poliklinik für Hautkrankheiten, Münster, Deutschland
  • Sonja Ständer - Universitätsklinikum Münster, Klinik und Poliklinik für Hautkrankheiten, Münster, Deutschland
  • Matthias Augustin - CVDerm, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocP130

doi: 10.3205/15dkvf229, urn:nbn:de:0183-15dkvf2297

Veröffentlicht: 22. September 2015

© 2015 Steinke et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Notalgia parästhetika und brachioradialer Pruritus sind Formen des chronischen, neuropathischen Pruritus am Rücken bzw. an den Armen. Patienten berichten neben schmerzenden Sensationen auch von z. B. Brennen, Jucken und Stechen. Diagnostik und Therapie gestalten sich in der Praxis komplex, langwierig und kostenintensiv. Für die Therapie beider Erkrankungsformen existiert seit kurzem zusätzlich zu bereits etablierten Therapieoptionen wie Neuroleptika oder topischen Cremes ein Pflaster mit 8% Capsaicin. Die einmalige Applikation kostet 341,22 Euro und kann alle 3 Monate wiederholt werden.

Fragestellung: Das Ziel der 6-monatigen Anwendungsbeobachtung war eine erste Analyse der direkten medizinischen und nicht-medizinischen Kosten und des patientenrelevanten Nutzens einer Therapie mit dem Capsaicin-Pflaster.

Methode: Im Rahmen der Routineversorgung in einem universitären Prurituskompetenzzentrum wurden Daten von 44 Patienten von 06/2011 bis 10/2013 retro- und prospektiv über je einen 6-Monatszeitraum (T1=6 Monate prä, T2=6 Monate post Erstapplikation Pflaster) erhoben. Diese dienten der Evaluation von Kosten sowie des Pruritus (VAS = Visuelle Analogskala von 0-10), der Lebensqualität (DLQI = Dermatologischer Lebensqualitätsindex von 0-30) und des patientenrelevanten Therapienutzens (PBI = Patient Benefit Index von 0-4). Die Daten wurden anhand eines standardisierten Fragebogens papierbasiert und elektronisch erhoben und mittels deskriptiver Statistiken in SPSS 12.0 ausgewertet.

Ergebnisse: 40,9% der Patienten benötigten zu T1 mehr als ein Capsaicin Pflaster, zu T2 immerhin noch 6,8%. Die mittleren Therapiekosten für das Capsaicin Pflaster betrugen 560,38 € pro Patient. Der Anteil der stationären Aufenthalte sank von 15,9% (n=7) auf 2,3% (n=1) in 6 Monaten, so dass die mittleren stationären Behandlungskosten um 212,31 € (T1=316,90 €, T2=104,59 €, p>0,05) gesunken sind. Ebenso reduzierten sich die ambulanten Arztbesuche von 6,3 auf 4,7 Arztkontakte im entsprechenden 6-Monatshorizont. Die mittleren Kosten für ambulant verschriebene Systemtherapie sanken um 74,60 € (T1=352,34 €, T2=277,74 €, p>0,05), für Lokaltherapie um 11,22 € (T1=56,23 €, T2=45,01 €, p>0,05). Insgesamt sanken die ambulanten Kosten für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) um 100,74 €. An direkten nicht-medizinischen Kosten entstanden für die Patienten 39,33 € niedrigere Fahrtkosten pro Patient (p>0,05), 91,44 € niedrigere sonstige Ausgaben für Pflegeprodukte oder Ähnliches (p<0,05) sowie 310,29 € niedrigere Kosten für den Zeitverlust durch Hautpflege (p>0,05).

Zusammenfassend sind die gesamten direkten medizinischen Behandlungskosten für die GKV von T1 zu T2 signifikant um 313,05 € pro Patient gesunken (p<0,01), unter Berücksichtigung der Kosten für das Capsaicin-Pflaster allerdings um 453,97 € signifikant gestiegen (p<0,01).

Bei Betrachtung der Nutzenparameter führte die Therapie mit dem Capsaicin-Pflaster zu einem signifikant verminderten Pruritus (mVAS T1=4,48; T2=3,34, p<0,05) sowie zu einer um mehr als 30% verbesserten Lebensqualität (mDLQI T1=7,39; T2=4,63, p<0,01) und einem 40% höheren patientenrelevanten Therapienutzen (mPBI T1=1,5; T2=2,1, p>0,05).

Fasst man die direkten Kosten der GKV und der Patienten zusammen, zeigen sich bei signifikant höheren Nutzenwerten annähernd gleichbleibende Gesamtkosten nach Einführung einer Therapie mit dem Capsaicin-Pflaster (T1=3.306,03 €, T2=3.318,94 €, p>0,05).

Für die Kosten-Effektivitätsanalyse wurden die Differenz der direkten medizinischen Kosten in Relation zur Differenz in den Nutzenparametern von T1 und T2 gesetzt. Eine Verbesserung des Pruritus um einen Punkt auf der VAS (0–10) kostet dementsprechend 252,21 €, eine Verbesserung der Lebensqualität um einen Punkt im DLQI (0-30) 151,32 €. Eine Erhöhung des patientenrelevanten Therapienutzens (0–4) um einen Punkt kostet 648,53 €.

Diskussion: Den Therapiekosten des Capsaicin-Pflasters (560,38 €) stehen verminderte direkte medizinische Kosten (313,05 €) und verminderte direkte nicht-medizinische Kosten (441,06 €) gegenüber. Bei gleichzeitiger Pruritusreduktion und verbesserten patientenrelevanten Nutzenwerten kann aufgrund gleichbleibender Kosten unter Berücksichtigung der Kosten für die GKV und der patientenseitigen Ausgaben davon ausgegangen werden, dass die Behandlung mit dem Capsaicin-Pflaster kosteneffektiv ist, jedoch sind langfristige Kosten-Effektivitätsanalysen an einem größeren Kollektiv notwendig.

Praktische Implikationen: Die lokale Anwendung des Capsaicin-Pflasters kann dem vielfach nicht ausreichend therapierbaren Patienten mit chronischem, lokalisiertem neuropathischen Pruritus eine nebenwirkungsarme und möglicherweise sogar kosteneffektive Therapiealternative bieten.