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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Rückgang der Häufigkeit schwerer diabetischer Folgekomplikationen zwischen 2003 und 2013. Ergebnisse aus dem Disease Management Programm (DMP) Diabetes mellitus Typ 2 in Nordrhein

Meeting Abstract

  • Bernd Hagen - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland, DMP-Projektbüro, Köln, Deutschland
  • Sabine Groos - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland, DMP-Projektbüro, Köln, Deutschland
  • Jens Kretschmann - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland, DMP-Projektbüro, Köln, Deutschland
  • Arne Weber - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland, DMP-Projektbüro, Köln, Deutschland
  • Lutz Altenhofen - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland, DMP-Projektbüro, Köln, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocP011

doi: 10.3205/15dkvf152, urn:nbn:de:0183-15dkvf1528

Veröffentlicht: 22. September 2015

© 2015 Hagen et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Eines der zentralen Ziele in der Versorgung von Patienten mit Typ-2-Diabetes ist das Vermeiden oder zumindest Hinauszögern des Auftretens schwerer diabetischer Folgekomplikationen. Hierzu zählen Amputationen, Erblindungen oder die Notwendigkeit einer Dialyse. Chronikerprogramme wie das DMP Diabetes mellitus Typ 2 wurden unter anderem deshalb in die ambulante Versorgung eingeführt, um dieses Ziel zu erreichen. Nach mittlerweile 12 Jahren Laufzeit ist zu fragen, ob Befunde vorliegen, die dafür sprechen, dass sich in späteren Patientenkohorten eine geringere Häufigkeit schwerer diabetischer Folgekomplikationen zeigt.

Fragestellung: Zeigt sich zwischen 2003 und 2013 ein Rückgang in der Prävalenz von Amputationen, Erblindungen oder einer Dialysepflicht im Vergleich der jeweils pro Jahr teilnehmenden Patientenkohorten mit Typ-2-Diabetes? Kommt es in diesem Zeitraum parallel auch zu einem geringeren Neuauftreten dieser Komplikationen bei erstmals eingeschriebenen Patienten, bei denen bislang keine entsprechende Komplikation dokumentiert ist?

Methode: Die Prävalenzen schwerer diabetischer Folgekomplikationen wurden für alle Patienten berechnet, die zwischen 2003 und 2013 in das DMP Diabetes mellitus Typ 2 in Nordrhein eingeschrieben wurden (n = 758.573). Für die vier Eingangskohorten 2003/04, 2005/06, 2007/08 und 2009/10 (n = 605.240) wurde außerdem post hoc analysiert, mit welcher Häufigkeit in diesen Kohorten insgesamt bzw. in einem Zeitraum von zwei Jahren nach der Einschreibung erstmals eine Amputation, eine Dialysepflicht oder eine Erblindung dokumentiert wurden. Die Vergleiche erfolgten uni- sowie multivariat mit Regressionsmodellen unter Kontrolle von Alter, Geschlecht und kardio-vaskulärer sowie diabetischer Komorbidität (angegeben werden die Odds Ratio OR und das 95%-Konfidenzintervall hierzu).

Ergebnisse: Bezogen auf alle Patienten ist zwischen 2003 und 2013 pro 10.000 Patienten für Amputationen ein Rückgang von 85,6 auf 18,9 und für eine Erblindung von 28,2 auf 6,2 Patienten pro Jahr zu erkennen. Hinsichtlich derjenigen Patienten, die dialysepflichtig werden, zeigt sich dagegen zwischen 2005 und 2013 mit jeweils 17,4 bzw. 18,9 Patienten kaum eine Veränderung. Betrachtet man lediglich jene Patienten, bei denen bereits eine Neuro-, Nephro- oder Retinopathie vorlag, ist zwischen 2003 und 2013 pro 10.000 Patienten für Amputationen ein Rückgang von 291,7 auf 58,6, für eine Erblindung von 99,8 auf 14,8 sowie für eine Dialyse von 97,8 auf 53,2 Patienten pro Jahr festzustellen. Das Neuauftreten von mindestens einer dieser schweren Folgekomplikationen innerhalb der ersten beiden Jahre im DMP verringert sich zwischen 2003/04 und 2009/10 von 57,6 auf 30,5 Fälle pro 10.000 Patienten. Im Regressionsmodell zeigt sich im Vergleich zu der Kohorte 2003/04 ein bedeutend geringeres Risiko für das Neuauftreten einer Komplikation in allen späteren Kohorten über die gesamte Beobachtungszeit (2005/06: OR = 0,69 [0,63–0,75], 2007/08: OR = 0,49 [0,45–0,54], 2009/10: OR = 0,34 [0,30–0,38]) bzw. innerhalb der ersten beiden Jahre (2005/06: OR = 0,80 [0,71–0,91], 2007/08: OR = 0,84 [0,74–0,95], 2009/10: OR = 0,78 [0,68–0,90]).

Schlussfolgerung/praktische Implikationen: Für das Neuauftreten schwerer diabetischer Folgekomplikationen lässt sich seit Beginn des DMP Diabetes mellitus Typ 2 ein deutlicher Rückgang beobachten. Es ist davon auszugehen, dass die besonderen Versorgungsstrukturen (Schwerpunkt auf der Kooperation von haus- und fachärztlicher Versorgungsebene; spezifische, vertraglich definierte Qualitätsindikatoren; regelmäßige Statusüberprüfungen) innerhalb des DMP hierzu einen wichtigen Beitrag geleistet haben. Die Frage, in welchem Ausmaß dieser Effekt auch außerhalb des DMP nachzuweisen ist, kann mittels der vorliegenden Daten nicht beantwortet werden. Es liegen jedoch Hinweise vor, dass es auch außerhalb spezifischer Diabetes-DMP sowohl in Deutschland wie international bei Diabetikern zumindest zu einem Rückgang der Amputationshäufigkeit gekommen ist. Diese Rückgänge werden allerdings meist mit spezifischen Verbesserungen der Versorgungsqualität in Verbindung gebracht, was indirekt ebenfalls für die Wirksamkeit des DMP-Ansatzes spricht.