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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Strukturen und Prozesse, die die Effektivität von Home Treatment für psychisch kranke Menschen fördern

Meeting Abstract

  • Constance Stegbauer - AQUA - Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH, Göttingen, Deutschland
  • Katja Kleine-Budde - AQUA - Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH, Göttingen, Deutschland
  • Erik Bauer - AQUA - Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH, Göttingen, Deutschland
  • Beate Bestmann - Wissenschaftliches Institut der TK für Nutzen und Effizienz im Gesundheitswesen (WINEG), Hamburg, Deutschland
  • Anke Bramesfeld - AQUA - Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH, Göttingen, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocV25

doi: 10.3205/15dkvf141, urn:nbn:de:0183-15dkvf1412

Veröffentlicht: 22. September 2015

© 2015 Stegbauer et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Multiprofessionelle Versorgung mit Home Treatment ist ein effektives und individuelles Versorgungsmodell für Menschen mit psychischen Erkrankungen. Bisher werden diese Modelle in Deutschland im Rahmen von Selektivverträgen umgesetzt. Die Modelle sind in ihren grundlegenden Strukturen und Prozessen ähnlich, unterscheiden sich aber in der konkreten Umsetzung.

Fragestellung: In dem vom Bundesministerium für Gesundheit geförderten Forschungsprojekt „Vernetzte Versorgung 13+1“ wird evaluiert, welche Strukturen und Prozesse kooperative Versorgungsnetzwerke in Deutschland für Menschen mit psychischen Erkrankungen aufweisen müssen, damit sie effektiv sind und sich an den Bedürfnissen der Betroffenen orientieren.

Methode: Es wurden 18 Netzwerke der integrierten Versorgung nach dem Modell des NetzWerks psychische Gesundheit (NWpG) hinsichtlich ihrer Strukturen, Prozesse und patientenbezogenem Outcome evaluiert. Strukturen und Prozesse wurden mittels einer Netzwerk- (n=18) und Mitarbeiterbefragung (n=310) von Dezember 2013 bis März 2014 erhoben. Das Outcome ist die Veränderung der Funktionalität von Versicherten der Techniker Krankenkasse, die in ein Netzwerk eingeschrieben sind. Die Funktionalität wird im Rahmen des NWpGs regelhaft mit den Health of the Nation Oucome Scales (HoNOS) zur Einschreibung in ein Netzwerk (t0) und anschließend halbjährlich (t1, t2, t3 etc.) gemessen. Der Zusammenhang zwischen Outcome und Strukturen und Prozessen wurde mittels univariaten linearen Regressionen und Mehrebenenanalyse analysiert.

Ergebnisse: 17 der 18 Netzwerke nahmen an der Netzwerkbefragung teil (Rücklaufquote: 94,4 %). An der Mitarbeiterbefragung nahmen 169 der 310 Personen teil (Rücklaufquote: 58,7 %). Für die Auswertung des Outcomes lagen zu 3567 Versicherten ein HoNOS-Wert zu t0 und t1 vor. Der HoNOS-Wert zu t0 lag durchschnittlich bei 12,28 Punkten (SD: ± 6,64 Punkte). Auf Netzwerkebene lag der HoNOS-Wert zu t0 zwischen 9,07 und 18,21 Punkten. Zu t1 lag der HoNOS-Wert im Durchschnitt bei 11,44 Punkten, zwischen 8,3 und 15,9 Punkten je Netzwerk. Die univariaten linearen Regressionsanalysen zeigten einen signifikanten positiven Zusammenhang (p ≤ 0,05) zwischen der Verbesserung der Funktionalität und folgenden Strukturen und Prozessen: Mehr Patienten pro Bezugsbegleiter (r²=0,07; β=-0,03), Mitarbeiter mit längerer Erfahrung in der psychiatrischen Versorgung (r²=0,04; β=-0,02), höherer ERI-Wert „Verausgabung“ (höhere Verausgabung) (r²=0,05; β =-0,02), weniger Hausbesuche (r²=0,05; β=-0,02), weniger Patienten im Netzwerk (r²=0,04; β=0,01), weniger Patienten, zu deren Angehörigen innerhalb eines Monats Kontakt bestand (r²=0,04; β=0,01), weniger Face-to-Face Kontakte (r²=0,03; β=0,01) und weniger Stunden Face-to-Face-Kontakt innerhalb eines Monats (r²=0,04; β=0,01) und Unzufriedenheit mit dem Arbeitsplatz (r²=0,03; β=0,01). Die weitere Analyse der Zusammenhänge zwischen Strukturen, Prozessen und Funktionalität mittels einer Mehrebenenanalyse brachte kein Ergebnis hervor, da die Modelle nicht konvergierten.

Diskussion: In der multidisziplinären Versorgung mit Home Treatment von Menschen mit psychischen Erkrankungen verbessert sich die Funktionalität. Der Unterschied zwischen den einzelnen Netzwerken ist gering. Die Analyse zeigt, dass weniger Versorgung, im Sinne von weniger Hausbesuchen, weniger Face-to-Face Kontakt, mehr Patienten pro Bezugsbegleiter und weniger Kontakt zu Angehörigen im Zusammenhang mit besserer Funktionalität steht. Dies gibt Hinweise, dass Patienten mit eingeschränkterer Funktionalität mehr Versorgung erhalten als Patienten mit einer besseren Funktionalität. Die analysierten Zusammenhänge sind schwach, aber signifikant. Die Daten ergeben keine statistisch belastbaren Ergebnisse, können aber als Hinweis darauf gewertet werden, welche der untersuchten Strukturen und Prozesse am ehesten mit einer effektiven Versorgung einhergehen. Ursachen, dass die Mehrebenenanalyse keine Ergebnisse hervorbrachte, können u.a. darauf beruhen, dass die Unterschiede zwischen den Netzwerken zu gering sind, um signifikante Zusammenhänge zu errechnen oder die getesteten Strukturen und Prozesse tatsächlich keinen Einfluss auf die Funktionalität der Patienten haben, da sie gegenüber den Strukturen und Prozessen, die bei allen Netzwerken gleich sind, für den Erfolg der Netzwerke von untergeordneter Relevanz sind.

Praktische Implikationen: Relevant für den Erfolg der Netzwerke sind Erfahrung und Engagement der Mitarbeiter. Weitere mögliche relevante Strukturen und Prozesse sind in allen Netzwerken vertraglich vorgegeben und konnten daher nicht als Strukturen und Prozesse für Unterschiede zwischen den Netzwerken herangezogen und analysiert werden.