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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Physiotherapie-Verordnungen für Patienten mit Rückenschmerzen bei niedergelassenen Ärzten in Deutschland

Meeting Abstract

  • Silvia Dombrowski - IMS Health, Frankfurt am Main, Deutschland
  • Achim Jockwig - Hochschule Fresenius, Gesundheit & Soziales, Idstein, Deutschland
  • Timo Rockel - IMS Health, Frankfurt am Main, Deutschland
  • Karel Kostev - IMS Health, Frankfurt am Main, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocFV10

doi: 10.3205/15dkvf018, urn:nbn:de:0183-15dkvf0184

Veröffentlicht: 22. September 2015

© 2015 Dombrowski et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Gesundheitsberichte konnten zeigen, dass mehr als ein Drittel der deutschen Bevölkerung mindestens einmal im Jahr unter Rückenschmerzen leiden. Damit gehören Rückenschmerzen zu der häufigsten Diagnose. In der Rückenschmerzbehandlung spielt die Physiotherapie neben dem Einsatz von Medikamenten eine große Rolle. Die niedergelassenen Ärzte, die unter dem finanziellen Druck stehen, müssen bei jedem Patienten individuell entscheiden, ob eine Physiotherapie-Verordnung erfolgt. Ob das Rezept ausgestellt wird hängt vom Arzt und seiner aktuellen Budgetausschöpfung ab

Fragestellung: Die Ziele dieser Studie waren zu beurteilen wie viele Patienten mit Rückenschmerzen eine physiotherapeutische Behandlung erhielten und welche Faktoren einen Einfluss darauf hatten, ob einem Patienten eine physiotherapeutische Behandlung verordnet wurde.

Methode: In dieser retrospektiven Fall-Kontroll-Studie wurden zunächst alle anonymisierten Patienten mit einer gesicherten Diagnose von Rückenschmerzen (ICD 10: M54) im Zeitraum September 2009- August 2014 aus der Disease Analyzer® Datenbank (IMS Health) selektiert und 2 Gruppen zugeordnet. Gruppe 1 waren Patienten, die Physiotherapie verordnet bekommen haben und in Gruppe 2 Patienten, denen keine Physiotherapie verschrieben worden ist.

Die Physiotherapieverordnung wurde als Hauptzielkriterium der Studie festgelegt. Darüber hinaus wurden mögliche Einflussfaktoren analysiert, indem die folgenden Variablen betrachtet wurden: Alter, Geschlecht, Versicherungsart (gesetzlich versus privat), Praxis-Gebiet (Ost/West), Raucherstatus, Co-Diagnosen (Diabetes, Adipositas, Fettstoffwechselstörung, Depression, Myokardinfarkt, Herzinsuffizienz, Koronare Herzkrankheiten, periphere Verschlusskrankheit, Hypertonie). Die logistische Regression wurde durchgeführt, um den Zusammenhang zwischen Physiotherapieverordnung und vordefinierten Einflussvariablen zu untersuchen.

Ergebnisse: Im 5 Jahreszeitraum September 2009–August 2014 gab es im IMS®-Disease Analyzer über alle Fachgruppen hinweg 1.706.054 Patienten mit einer gesicherten Diagnose der Rückenschmerzen. Davon haben 136.472 (7,9%) der Patienten (Durchschnittsalter 52,8 Jahre alt, 56,7% weiblich, 16,2% privat versichert) eine Physiotherapie erhalten, 1.569.582 (92,1%) Patienten (Durchschnittsalter 53,7 Jahre alt, 51,9% weiblich, 11,4% privat versichert) bekamen keine Physiotherapie verschrieben. Im multivariaten Regressionsmodell wurde Praxis-Lokalisation in Westdeutschland (OR: 3,99; p<0,001), männliches Geschlecht (OR: 1,32; p<0,001), private Versicherung (OR: 1,33; p<0,001), jüngeres Alter (OR: 0,99 pro Jahr, p<0,001) mit einer höheren Verordnungswahrscheinlichkeit der Physiotherapie assoziiert. Umgekehrt, wurden Herzinsuffizienz (OR: 0,60; p<0,001), Rauchen (OR: 0,72; p<0,001), Adipositas (OR: 0,86; p<0,001) und arterielle Verschlusskrankheit (OR: 0,80; p<0,001) negativ mit der Verordnung einer Physiotherapie assoziiert.

Diskussion/Schlussfolgerung: Nur ca. 8% der Patienten mit Rückenschmerzen haben eine Physiotherapie-Verordnung erhalten. Der Zusammenhang zwischen privater Krankenversicherung und Physiotherapie-Verordnungen reflektiert den finanziellen Druck, unter dem die niedergelassenen Ärzte stehen.

Praktische Implikationen: Um zu verstehen warum bestimmte Ko-Diagnosen wie Adipositas, Herzinsuffizienz und arterielle Verschlusskrankheit mit einer erhöhten oder reduzierten Wahrscheinlichkeit der Physiotherapie-Verordnung assoziiert sind, müssen weitere Studien durchgeführt werden. Dabei kann ein Teil der Faktoren durch eine Befragung der niedergelassenen Ärzte ermittelt werden.