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10. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung, 18. GAA-Jahrestagung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.
Gesellschaft für Arzneimittelanwendungsforschung und Arzneimittelepidemiologie e. V.

20.-22.10.2011, Köln

Individualisierte Medizin und gesundheitliche Eigenverantwortung

Meeting Abstract

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  • author presenting/speaker Martin Langanke - Universität Greiswald, Theolgische Fakultät, Greifswald, Deutschland
  • corresponding author Tobias Fischer - Universität Grefswald, Department für Ethik in den Lebenswissenschaften, Greifswald, Deutschland

10. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. 18. GAA-Jahrestagung. Köln, 20.-22.10.2011. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2011. Doc11dkvf125

doi: 10.3205/11dkvf125, urn:nbn:de:0183-11dkvf1254

Veröffentlicht: 12. Oktober 2011

© 2011 Langanke et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Von verschiedenen Seiten wird der Individualisierten Medizin (IM) das Potential zugeschrieben, ein neues Zeitalter gesundheitlicher Eigenverantwortung einläuten.

Material und Methoden: In unserem Vortrag werden wir mit den Mitteln der Begriffs- und Argumentationsanalyse aufzeigen, dass und warum dieser angebliche Konnex zwischen IM und gesundheitlicher Eigenverantwortung weit weniger plausibel und selbstverständlich ist, als man dies auf den ersten Blick vermuten könnte. Dieser Konnex besteht nämlich nur, wenn einerseits die IM bestimmte Leistungsversprechen wird einlösen können und wenn andererseits auf der gesundheitspolitischen Ebene Entscheidungen getroffen werden, die in keinster Weise schon durch die IM selbst vorgegeben sind.

Ergebnisse: Bei einer genaueren Analyse zeigt sich insbesondere, dass die Vision einer neuen Kultur gesundheitlicher Eigenverantwortung im Zeichen der IM nur dann Wirklichkeit werden kann, wenn gesundheitspolitische Vorstellungen umgesetzt werden, die nicht allein hinsichtlich ihrer politischen Durchsetzbarkeit, sondern auch mit Blick auf ihre genuin ethische Wünschbarkeit kritisch zu sehen sind. Besonders strittig dürften dabei die mit folgenden Fragen umrissenen Themenfelder sein:

1.
Verpflichtende Screenings?
2.
Kontrolle der Umsetzung medizinisch gebotener Empfehlungen hinsichtlich des Lebensstil und/oder des Gesundheitsverhaltens?
3.
Implementierung von Sanktionen in Form von Selbstbeteiligungsregelungen?
4.
Gestaltung eines praktikablen und nicht willkürlichen Allokationsmechanismus?

Schlussfolgerung: Wenn aber die Antworten auf diese Fragen nicht aus der IM selbst kommen können, sondern Ihre Beantwortung wesentlich auf einer normativen Diskursebene wie der politischen erfolgen muss, dann lässt sich die These vertreten, dass diejenigen, die einen radikalen Umbau des solidarisch finanzierten Gesundheitswesens auch auf den mit diesen Fragen bezeichneten Handlungsfeldern planen, sich nicht hinter der IM „verstecken“ können. Die IM als fachwissenschaftliches Vorhaben zwingt niemanden, sanktionsbewährte Elemente der Eigenverantwortung in unser solidarisch finanziertes Gesundheitssystem zu integrieren. Bestehende politische Handlungsspielräume im Hinblick darauf, wie unser Gesundheitssystem künftig aussehen soll, können nicht mit Argumenten, die die Kluft zwischen Sein und Sollen in unzulässiger Weise verwischen oder überspringen, kleingeredet werden – auch nicht unter dem Schlagwort der „Individualisierten Medizin“.