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10. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung, 18. GAA-Jahrestagung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.
Gesellschaft für Arzneimittelanwendungsforschung und Arzneimittelepidemiologie e. V.

20.-22.10.2011, Köln

Entscheidungsfindung: Einfluss von Setting und Indikation auf Beteiligungswunsch und Informationsbedürfnis

Meeting Abstract

10. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. 18. GAA-Jahrestagung. Köln, 20.-22.10.2011. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2011. Doc11dkvf079

doi: 10.3205/11dkvf079, urn:nbn:de:0183-11dkvf0799

Veröffentlicht: 12. Oktober 2011

© 2011 Reißmann et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Partizipative Entscheidungsfindung (PEF; Shared decision making, SDM) wird als das ideale Modell der Arzt-Patienten-Kommunikation angesehen. Es war das Ziel dieser Studie, den Einfluss des Erhebungssettings und der medizinischen Indikation auf den Wunsch der Patienten nach Beteiligung und Information zu bestimmen.

Material und Methoden: Studienteilnehmer waren eine Stichprobe von insgesamt N=288 Patienten, welche in der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik (N=97), der Ambulanz für Multiple Sklerose (N=105), beide Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, sowie in 10 Hausarztpraxen (N=86) in Hamburg konsekutiv rekrutiert wurden. Beteiligungswunsch und Informationsbedürfnis der Patienten wurden mit der deutschen modifizierten Fassung des Autonomie-Präferenz-Index (API-Dm) erhoben und für die drei Settings verglichen. Die Ergebnisse des API-Dm wurden für Beteiligungswunsch und Informationsbedürfnis als standardisierte Rohgesamtwerte (Bereich von 0-keine Präferenz bis 100-maximale Präferenz) dargestellt. Unterschiede hinsichtlich des Settings wurden mittels einfaktorieller Varianzanalyse (ANOVA) auf statistische Signifikanz geprüft. Der Einfluss der Indikation auf den Beteiligungswunsch wurde mittels Vignetten für Atemwegserkrankung (2 Fragen), erhöhter Blutdruck (2 Fragen) und Zahnprobleme (3 Fragen) mit der modifizierten 5-Punkte Kontrollpräferenzskala (Control Preference Scale, CPS) mit den Kategorien von “1-Patient trifft Entscheidung allein” über „3-Patient trifft Entscheidung zusammen mit Zahnarzt“ bis “5-Zahnarzt trifft Entscheidung allein” ermittelt. Für die einzelnen Indikationen (Vignetten) wurden Mittelwerte der CPS gebildet und diese mittels einer ANOVA auf signifikante Unterschiede innerhalb der Patienten getestet.

Ergebnisse: Das Informationsbedürfnis der Patienten war unabhängig vom Setting sehr hoch (alle: ≥95,0; ANOVA: p>0,05). Der Beteiligungswunsch war mit 62,1 im zahnmedizinischen Setting am höchsten. Der Wert aus den Hausarztpraxen lag bei 58,8; während in der Ambulanz für Multiple Sklerose der Wert mit 52,9 am niedrigsten lag. Der Unterschied in Bezug auf das Setting war statistisch signifikant (ANOVA: p=0,035). In Bezug auf Indikationen wurde bei der Vignette mit Fragen zum Vorgehen bei erhöhtem Blutdruck die eigene Kontrollpräferenz von den Patienten am niedrigsten eingeschätzt (3,4). Die Präferenzwerte für Atemwegserkrankungen und Zahnprobleme waren mit 3,0 identisch und statistisch signifikant (ANOVA: p<0,001) niedriger als beim erhöhten Blutdruck, was einer stärkeren aktiven Rolle im Entscheidungsfindungsprozess entspricht. Der Wert 3 steht dabei für eine gleichberechtigte Rolle von Arzt und Patient im Entscheidungsfindungsprozess.

Schlussfolgerung: Patienten haben ein sehr hohes Informationsbedürfnis und wünschen eine Beteiligung bei Entscheidungen im Sinne einer gleichberechtigten Rolle von Arzt und Patient (partizipative Entscheidungsfindung). Beteiligungswünsche von Patienten können vom Erhebungssetting und der erfragten medizinischen Indikation abhängen. Ergebnisse von Studien, die sich in diesen Punkten unterscheiden, sind daher nur bedingt vergleichbar.