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10. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung, 18. GAA-Jahrestagung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.
Gesellschaft für Arzneimittelanwendungsforschung und Arzneimittelepidemiologie e. V.

20.-22.10.2011, Köln

Antidepressiva in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV): Auffällig hohe patientenbezogene Ausgabenunterschiede zwischen den Regionen

Meeting Abstract

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10. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. 18. GAA-Jahrestagung. Köln, 20.-22.10.2011. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2011. Doc11dkvf010

doi: 10.3205/11dkvf010, urn:nbn:de:0183-11dkvf0104

Veröffentlicht: 12. Oktober 2011

© 2011 Bensing et al.
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Hintergrund: Depressionen gehören zu den häufigsten psychischen Leiden und zu den häufigsten Erkrankungen. Die Lebenszeitprävalenz liegt in Deutschland bei 19 Prozent, wobei Frauen (25%) etwa doppelt so häufig betroffen sind wie Männer (12%). Die Häufigkeit, die erhöhte Sterblichkeit der Betroffenen sowie Versorgungsdefizite beschreiben die große gesundheitspolitische Bedeutung der depressiven Erkrankungen. Es gibt ferner Hinweise auf regional gehäufte Diagnosen (z. B. RKI 2010) und damit zusätzlichen Anlass zur Optimierung der Versorgung. Hier setzt die die vorliegende Studie an: Sie analysiert die regionalen Unterschiede in den patientenbezogenen Antidepressiva-Verordnungen und -Ausgaben erstmals auf Basis einer großen GKV-weiten Stichprobe.

Material und Methoden: Zentraler Ausgangspunkt der Sekundärdatenanalyse sind anonymisierte Rezeptdaten von 40 Millionen GKV-Patienten einer Routinedatenbank des Informationsdienstleisters INSIGHT Health. Als Studienpopulation definiert werden alle GKV-Patienten, die im Jahr 2010 mindestens eine Antidepressiva-Verordnung erhalten haben („AD-Patienten“), dies sind 3,0 Millionen Patienten. Statistisch ausgewertet werden neben Alter und Geschlecht die Verordnungen, Arzneimittelausgaben sowie Tagestherapiedosen (jeweils pro AD-Patient). Die regionale Differenzierung erfolgt entsprechend der 17 Regionen der Kassenärztlichen Vereinigungen („KV-Regionen“). Einbezogen werden die ambulant verordneten Antidepressiva der Gruppe „N06A“ des ATC-Index (anatomisch-therapeutisch-chemisches Klassifikationssystem) der European Pharmaceutical Market Research Association (EphMRA).

Ergebnisse: Die Altersgruppen ab 40 Jahren aufwärts haben den höchsten Anteil an AD-Patienten (Behandlungsprävalenz). 70 Prozent aller AD-Patienten sind weiblich. Die Antidepressiva-Ausgaben pro Patient variieren erheblich zwischen den einzelnen KV-Regionen. Nach den Ergebnissen einer Vorstudie verzeichnet Bremen mit 110 Euro die niedrigsten patientenbezogenen Ausgaben und Mecklenburg-Vorpommern mit 210 Euro die höchsten. Über dem Schnitt von 163 Euro liegen besonders Thüringen, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Die Anzahl der Verordnungen schwankt von Region zu Region zwischen 3,5 Verordnungen pro AD-Patient in Sachsen und 4,6 im Saarland. Die niedrigsten Ausgaben pro AD-Verordnung verbucht Bremen (30 Euro), die höchsten Mecklenburg-Vorpommern (56 Euro).

Schlussfolgerung: Bekannt ist bereits, dass Frauen mehr Antidepressiva verordnet bekommen. Auch höhere patientenbezogene Arzneimittelaufwendungen in den neuen Bundesländern sind ein bekanntes Muster, überraschend ist das enorme Ausmaß der regionalen Ausgabenunterschiede bei den Antidepressiva. Die Regionen mit höheren patientenbezogenen Ausgaben verzeichnen tendenziell weniger Verordnungen je Patient. Dies deutet auf höhere Kosten je Verordnung hin (höherer Anteil an patentgeschützten Präparaten). Denkbar sind zudem Therapiekonzepte mit stärkerer Betonung der Antidepressiva wie auch unterschiedliche Schweregrade der depressiven Erkrankungen. Die großen Differenzen zwischen den Geschlechtern und den Regionen deuten Optimierungsspielräume bei der Versorgung von Patienten mit Antidepressiva an. In weiteren Untersuchungen sollten die Einflussfaktoren der Unterschiede identifiziert und validiert werden, um gesundheitspolitischen Handlungsbedarf auszuloten.