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Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2024)

22. - 25.10.2024, Berlin

Eine individualisierte Nachbehandlung Schwerverletzter reduziert Arbeitsunfähigkeit, erhöht Lebensqualität und beeinflusst die psychische Gesundheit positiv

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Christopher Spering - Universitätsmedizin Göttingen, Unfallchirurgie, Orthopädie und Plastische Chirurgie, Göttingen, Germany
  • Feros Bator - Universitätsmedizin Göttingen, Unfallchirurgie, Orthopädie und Plastische Chirurgie, Göttingen, Germany
  • Wolfgang Lehmann - Universitätsmedizin Göttingen, Unfallchirurgie, Orthopädie und Plastische Chirurgie, Göttingen, Germany

Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2024). Berlin, 22.-25.10.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. DocAB81-3002

doi: 10.3205/24dkou432, urn:nbn:de:0183-24dkou4324

Veröffentlicht: 21. Oktober 2024

© 2024 Spering et al.
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Gliederung

Text

Fragestellung: Eine Polytraumatisierung kann die gesundheitsbezogene Lebensqualität (HRQoL) stark beeinflussen. Vor allem die Arbeitsfähigkeit (ABF) hat einen hohen Einfluss auf die HRQoL und ökonomische Unabhängigkeit. Um zu erheben, welche Veränderungen sich bzgl. ABF und der HRQoL nach Polytrauma (PT) durch eine individualisierte Nachbehandlung positiv beeinflussen lassen, wurde ein PT-Kollektiv (1) vor und ein Kollektiv (2) nach der Etablierung einer PT-Sprechstunde auf die Auswirkungen des PT auf die HRQoL, die psychische Gesundheit und die sozioökonomischen Folgen hin analysiert.

Methodik: Fragebogenerhebung aus SF-36 und validiertem traumaspezifischem Fragebogen im Kollektiv (1) 1994–2000 vor Einführung einer PT-Sprechstunde. Befragung 48 Monate nach Unfall. Einschlusskriterien:

einwilligungsfähige PT (>18 J, ISS>15).

Nach Einführung der PT-Sprechstd. erfolgte 25 Monate nach Unfall die Befragung im Kollektiv (2) 2020–2022 durch 4 Fragebögen: HRQol (SF-36), psych. Gesundheit: depressive Störungen (PHQ-9) und Angststörungen (GAD-7); sowie sozioökonomische und verletzungsspezifische Informationen (eigener traumaspezifischer Fragebogen).

Behandlungsdaten, der ISS und die Verletzungsregionen wurden ermittelt. Univariate Analyse, Signifikanzanalysen t-Test und Wilcoxon-Mann-Whitney-Test.

Ergebnisse und Schlussfolgerung: Im Untersuchungszeitraum (1) entsprachen 154 den Einschlusskriterien, 92 Pat. konnten befragt werden, Rücklaufquote 52% n=48 (ISS 25 P., 42 J, Letalität 17,7%) 60% der Befragten begrenzte Gehstrecke. 89% regelmäßig Schmerzen: Extremitäten, Kopf, Rücken. Psych. Gefühlslage nach Unfall sign. schlechter. 58% klagten über Schlafprobleme, 67% vermehrte Antriebslosigkeit, 56% vermehrte Stimmungsschwankungen. 22% erlitten nachhaltig negative Erlebnisse mit Arbeitskollegen. Größte „Verlustrate“ zeigte sich in den Handwerksberufen. Nur 49% erreichten eine ABF, im Mittel 9 Monate nach Unfall. 51% kehrten nicht mehr in den Beruf zurück.

Das PT Kollektiv (2) konnte direkt über die PT-Sprechstunde rekrutiert werden. 70 Pat. (ø-Alter 41,8 J; 71,4% männlich; ø-ISS 24,2) entsprachen Einschlusskrit. Die HRQoL war im Vergleich zur Normalbevölkerung (NBEV) in allen 8 Dimensionen, der körperlichen (KSK) und der psychischen Summenskala (PSK) des SF-36 signifikant reduziert. Der PHQ-9 und der GAD-7 zeigten für die im Vergleich zur NBEV höhere Summenscores (PHQ-9: SP=6,75 NBEV=3,58; GAD-7: SP=5,11 NBEV=2,95); bei n=39 lagen eine milde bis schwere depressive Störung vor. Signifikant negative Einflüsse auf die HRQoL: fehlende Rückkehr in den Beruf, Probleme bei Aktivitäten des täglichen Lebens, Schmerzen der unteren Extremität und der Wirbelsäule, Verluste der Arbeitsstelle, der Partnerschaft und Freundschaften, finanzielle Verluste.

Für eine individualisierte Nachbehandlung und frühzeitige psychische Betreuung sowie Begleitung zur selbstständigen Mobilisation und sozialen Reintegration konnten positive Einflüsse nachgewiesen werden. Das PT darf nicht als komplexeres Verletzungsbild simplifiziert werden.