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Rechtfertigt beim Schwerstverletzten alleine der Blutdruck die Notfallintubation am Unfallort?
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Veröffentlicht: | 21. Oktober 2024 |
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Fragestellung: Die präklinische Intubation schwerstverletzter Patienten istGegenstand aktueller wissenschaftlicher Diskussionen. Sie ist bei Hypoxie und Apnoe klar indiziert, ebenso laut aktueller S3-Polytraumaleitlinie bei schwerem Schädelhirntrauma und schwerem Thoraxtrauma mit respiratorischer Insuffizienz. Der vormals in der Leitlinie aufgeführte hämorrhagische Schock als präklinisches Intubationskriterium ist auf Grund der unzureichenden Evidenzlage nicht in die neue Fassung übernommen worden. Kritiker verweisen darauf, dass sich durch die Notfallnarkose bei einer Intubation im hämorrhagischen Schock das Outcome verschlechtern könnte. Ziel dieser Studie war es daher, mittels Propensity Score Matching zu untersuchen, ob das Kriterium „hämorrhagischer Schock“ alleine eine präklinische Intubation rechtfertigt.
Methodik: Daten von 385.388 Patienten aus dem TraumaRegister DGU® wurden ausgewertet. Eingeschlossen wurden: Maximum Abbreviated Injury Scale 3+, primäre Aufnahme, deutschsprachige Länder, Jahre 2012–2022, Angaben zu präklinischer Intubation und Blutproduktegabe mussten vorhanden sein. Um den hämorrhagischen Schock als alleiniges Intubationskriterium gezielt untersuchen zu können, wurden folgende Matching-Kriterien gewählt: Glasgow Coma Scale>=8, Blutdruck am Unfallort<=90 mmHg, keine Reanimation und Vorliegen von Blutungszeichen (Blutproduktegabe erfolgt, BE<=-6, Zeichen einer Koagulopathie). Dann wurden intubierte (Gruppe 1) mit nicht intubierten Patienten (Gruppe 2) verglichen. Es erfolgte eine Signifikanzanalyse.
Ergebnisse und Schlussfolgerung: 985 Patienten mit hämorrhagischem Schock als einzigem Intubationskriterium wurden identifiziert und einem Propensity Score Matching unterzogen. Die Verletzungsschwere (Injury Severity Score) zeigte in beiden Gruppen keinen signifikanten Unterschied (Gruppe 1: 30.9, Gruppe 2: 28.6; p>0.05). Auch der Anteil älterer Patienten, männlicher Patienten oder Unfallhergang sowie Verletzungsschwere des Thorax waren nicht signifikant unterschiedlich. Jedoch zeigte sich eine signifikant erhöhte Rate an Multiorganversagen, Intubationstagen und Tagen auf der Intensivstation zu Ungunsten der intubierten Patienten. Hochsignifikant unterschiedlich war die Letalität mit 18.6% bei Gruppe 1 gegenüber 12,3% bei Gruppe 2 (p<=0,001). Auch die Sterblichkeit innerhalb der ersten 24 Stunden war in Gruppe 1 signifikant erhöht (Gruppe 1: 8,6%, Gruppe 2: 5,0%; p<=0,001).
Erstmals konnte anhand eines großen Patientenkollektivs gezeigt werden, dass eine präklinische Intubation allein aufgrund eines hämorrhagischen Schocks das Outcome der Patienten negativ zu beeinflussen scheint. Besonders eindrücklich zeigte sich dies – neben weiteren Outcomeparametern wie der Liegezeit im Krankenhaus – durch die hochsignifikant erhöhte Letalität. Eine Wiederaufnahme des hämorrhagischen Schocks als präklinisches Intubationskriterium in die Leitlinie sollte daher kritisch betrachtet werden. Weitere Studien, möglichst prospektiv und randomisiert, gilt es aus Sicht der Autoren jedoch abzuwarten.