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Die Dehnung der Kollateralbänder des Kniegelenkes steht in einer linearen Abhängigkeit zur Lastachse der unteren Extremität – eine biomechanische Studie
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Veröffentlicht: | 21. Oktober 2024 |
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Fragestellung: Knöchern bedingte Achsabweichungen der unteren Extremität gelten als Risikofaktor für das Versagen posterolateraler und posteromedialer ligamentärer Rekonstruktionen am Kniegelenk. Genaue Empfehlungen, ab welcher Achsabweichung eine Umstellungsosteotomie bei peripheren Knieinstabilitäten indiziert ist, gibt es nicht.
Ziel dieser Studie war, den Einfluss der mechanischen Achse der unteren Extremität auf das Dehnungsverhalten der Kollateralbänder zu analysieren. Es wurde angenommen, dass die Dehnung der nativen Kollateralbänder linear mit der Beinachse zusammenhängt und eine Abweichung von mehr als 5° mit kritischen Dehnungswerten über 4% verbunden ist.
Methodik: Getestet wurden 12 humane Spenderknie (68±9,7 Jahre). Vor der biomechanischen Prüfung wurden belastete Ganzbeinstandaufnahmen angefertigt, um die mechanischen Achse zu bestimmen. Unter Korrektur bestehender Achsabweichungen wurden die Knie in einer spezielle Kinematikvorrichtung mit 200 N und 400 N axial belastet, während dynamischer Varus-/Valgus-Stress in 0°, 30° und 60° Kniebeugung bis zur Elastizitätsgrenzen der Kollateralbandes simuliert wurde. Die hierdurch provozierte Dehnung der verschiedenen Faserregionen der Kollateralbänder wurde mittels optischen 3D-Messsystem erfasst und das achsenabhängige Dehnungsverhalten des superfiziellen medialen Kollateralbandes (sMCL) und des lateralen Kollateralbandes (LCL) in Intervallen von 2° untersucht. Die statistische Auswertung erfolgte mittels linearer Regression und ANOVA. Die statistische Signifikanz wurde auf p<.05 festgelegt.
Ergebnisse und Schlussfolgerung: Das LCL und sMCL waren bei voller Streckung den höchsten Dehnungswerten ausgesetzt, während die Banddehnung mit zunehmender Flexion abnahm (p< ,001). Unabhängig von der Flexion und der Höhe der axialen Belastung zeigte die Dehnung im LCL und sMCL einen linearen Zusammenhang mit der Varus- (alle Pearson >0,98; p< ,001) bzw. Valgus-Achse (alle Pearson r >-0,97; p<.01). Bei voller Streckung und axialer Belastung von 400 N überstiegen die anterioren und posterioren LCL-Fasern bei 3,9° bzw. 4,0° Varus die Banddehnung von 4%, während die Fasern des sMCL, unterteilt von anterior nach posterior in Drittel, bei einem Valguswinkel von 6,8°, 5,4° und 4,9° entsprechende Dehnungswerte von mehr als 4% erreichte.
Die Dehnung innerhalb des nativen LCL und sMCL steht in einem linearen Zusammenhang mit der mechanischen Achse der unteren Extremität. Bei einer Varus-Fehlstellung von 4° und einer Valgus-Fehlstellung von etwa 5° zeigt sich eine Dehnung von mehr als 4%, die mit potenziellen strukturellen Schäden der Bänder einhergehen könnte.
Bei ligamentären Rekonstruktionen der posterolateralen oder posteromedialen Ecke sollte in Fällen chronischer lateraler/medialer Instabilität, mit einer Varus-/Valgusfehlstellung von mehr als 4–5°, eine zusätzliche Korrektur der Achse in Betracht gezogen werden. Hierdurch könnten die ligamentäre Rekonstruktionen geschützt und die langfristigen Ergebnisse durch Verringerung von Transplantatversagen verbessert werden.