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Biomechanischer Vergleich der antegraden hinteren Pfeilerschraube vs. infraacetabulären Schraube bei Acetabulumfrakturen des vorderen Pfeilers mit hinterer Hemitransversfraktur
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Veröffentlicht: | 21. Oktober 2024 |
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Fragestellung: Traditionell erfolgt die operative Versorgung von Acetabulumfrakturen des vorderen Pfeilers mit hinterer Hemitransversfraktur (ACPHT-Fraktur) durch eine Plattenosteosynthese des vorderen Pfeilers in Kombination mit einer antegraden hinteren Pfeilerschraube. Allerdings wird für das Einbringen der antegraden hinteren Pfeilerschraube eine zusätzliche Inzision des ersten ilioinguinalen Fensters benötigt, sofern die Plattenosteosynthese über den AIP/Stoppa-Zugang erfolgt. Das Ersetzen der antegraden hinteren Pfeilerschraube durch eine sogenannte infraacetabuläre Schraube mit Fixation des hinteren Pfeilers von ventro-inferior würde die Komplexität des chirurgischen Eingriffs reduzieren, da diese auch über weniger invasive Zugänge, wie den AIP/Stoppa-Zugang, einbracht werden kann. Allerdings ist die biomechanische Auswirkung des Ersetzens der antegraden hinteren Pfeiler Schraube durch eine infraacetabuläre Schraube, jeweils in Kombination mit einer Plattenosteosynthese, bislang noch nicht bekannt.
Methodik: In einem synthetischen Hemipelvis-Modell mit einer standardisiert erzeugten ACPHT-Fraktur wurden zwei verschiedene Osteosyntheseverfahren getestet: Suprapectineale Platte + antegrade hinteren Pfeilerschraube (AHPS-Gruppe) vs. suprapectinealen Platte + infraacetabulären Schraube (IAS-Gruppe). Die biomechanische Testung erfolgte in einem etablierten Einbeinstand-Modell mit zusätzlich applizierter, passiver Muskelkraft, welches die physiologischen Kräfte am Acetabulum, wie von Bergmann et al. beschrieben, simuliert. Alle Proben durchliefen ein zyklisches Belastungsprotokoll mit 32.000 Zyklen und einer maximalen Gesamtlast von 2400 N. Die interfragmentäre Bewegung an den drei Hauptfrakturlinien wurde mittels 3D Bewegungsanalyse-Videosystem erfasst.
Ergebnisse und Schlussfolgerung: In der IAS-Gruppe zeigte sich an der hinteren Hemitransversfraktur eine signifikant höhere interfragmentäre Bewegung senkrecht zur Frakturlinie (p<0,001) sowie eine signifikant höhere Scherbewegung (p<0,001) im Vergleich zur AHPS-Gruppe. Auch an der hohen vorderen Pfeilerfraktur war die interfragmentäre Bewegung entlang der Fraktur in der IAS-Gruppe signifikant erhöht (p=0,017). Im Gegensatz dazu war an der tiefen vorderen Pfeilerfraktur die interfragmentäre Bewegung senkrecht (p=0,004), entlang (p<0,001) und horizontal (p=0,004) zur Frakturlinie sowie die Scherbewegung (p<0,001) in der AHPS-Gruppe signifikant höher als in der IAS-Gruppe.
Auf Grundlage dieser biomechanischen Daten ist das Ersetzen der antegraden hinteren Pfeilerschraube durch eine infraacetabuläre Schraube nicht ratsam, da dies zu einer erhöhten interfragmentären Bewegung, insbesondere an der hinteren Hemitransversfraktur, führt. Die infraacetabuläre Schraube ist daher weiterhin als additive Augmentation der biomechanischen Stabilität für osteosynthetisch versorgte Acetabulumfrakturen mit Beteiligung beider Pfeiler zu verstehen.