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Kriegsverletzung und Antibiotikaresistenz: Welchen Einfluss haben multiresistente Erreger auf den Therapieverlauf ukrainischer Kriegsverletzter?
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Veröffentlicht: | 21. Oktober 2024 |
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Fragestellung: Kriegsverletzungen sind durch eine große Zahl von Knochen- und Weichteilinfektionen durch multiresistente Erreger gekennzeichnet. In unserer Klinik wurden seit Kriegsbeginn in der Ukraine im Februar 2022 insgesamt 17 ukrainische Patienten behandelt. Auf Basis dieses Patientenkollektivs analysierten wir den Einfluss von Knochen- und Weichteilinfektionen auf den Verlauf und das Outcome innerhalb der ersten 2 Jahre der chirurgischen Therapie.
Methodik: In diese retrospektive Fallanalyse wurden n=17 Patienten eingeschlossen. Zur Beurteilung des klinischen Verlaufs ukrainischer Kriegsverletzter, die im Zeitraum von Juni 2022 bis Januar 2024 in unserer Klinik behandelt wurden, wurden die Dauer des stationären Aufenthaltes, die Anzahl der Operationen (inklusive angewandter Techniken), das Keimspektrum der Wundinfektionen sowie die antibiotischen Therapien analysiert.
Ergebnisse und Schlussfolgerung: Die Patienten waren im Mittel 41,4 (21–65) Jahre alt und hatten vorrangig schwere Extremitätenverletzungen nach Schuss- und Explosionstraumata mehrere Monate vor Übernahme in unsere Klinik erlitten. Alle Patienten hatten mehr als eine Kriegsverletzung. Die Dauer des stationären Krankenhausaufenthaltes betrug durchschnittlich 122 Tage. Im Mittel wurden in dieser Zeit 10 Operationen pro Patient durchgeführt. Multiresistente Erreger wurden in 11/17 Fällen (65%) nachgewiesen. Der häufigste Erreger (bei 7/17 Patienten (41%)) war Klebsiella pneumoniae (4-MRGN (Multi-resistente gram-negative) Bakterien), wobei pro Patient im Median 1 (0–8) multiresistenter Erreger nachgewiesen wurde. Aufgrund zahlreicher Resistenzen wurde in 10/17 Fällen (59%) eine antibiotische Therapie mittels Reserveantibiotika (z.B. Cefiderocol, Colistin) eingeleitet. Wiederholtes lokales Debridement mit zusätzlicher Vakuum-Therapie wurde in 11/17 Fällen (65%) durchgeführt. Die sekundäre Amputation einer Gliedmaße war bei 3/17 Patienten (18%) notwendig.
Kriegsverletzungen sind aufgrund ihrer Komplexität (penetrierende Verletzungen mit hoher Energie) eine in Deutschland seltene Entität. Wundinfektionen mit multiresistenten Erregern stellen eine zusätzliche Herausforderung in der chirurgischen Therapie dar.
Einer gründlichen mikrobiologischen Resistenztestung bei (ukrainischen) Kriegsverletzten sollte im Sinne einer zu erwartenden zunehmenden Resistenzbildung – auch gegen Reserveantibiotika – besondere Bedeutung beigemessen werden. Die in Westeuropa bislang nur wenig angewandte Phagentherapie stellt eine potenzielle Ergänzung oder Alternative im Therapiekonzept dar. Den traumatisierten Patienten sollte angesichts langer Krankenhausaufenthalte in einem fremden Land, langwieriger Isolationen sowie (drohender) Amputation einer Gliedmaße eine besondere Bedeutung in einem interdisziplinären Behandlungskonzept zugutekommen.