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Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2023)

24. - 27.10.2023, Berlin

Der Pelvic Vascular Injury Score (P-VIS) – ein präklinisches Instrument zur Detektion signifikanter Gefäßverletzungen bei Beckenfrakturen

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Christopher Spering - Universitätsmedizin Göttingen, Unfallchirurgie, Orthopädie und Plastische Chirurgie, Göttingen, Germany
  • Wolfgang Lehmann - Universitätsmedizin Göttingen, Unfallchirurgie, Orthopädie und Plastische Chirurgie, Göttingen, Germany
  • Stefanie Möller - Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik GgmbH, Unfallchirurgie und Orthopädische Chirurgie, Frankfurt, Germany
  • Stephan Sehmisch - Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Unfallchirurgie, Hannover, Germany
  • Rolf Lefering - Institut für Forschung in der Operativen Medizin (IFOM), Universität Witten/Herdecke, Köln, Germany

Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2023). Berlin, 24.-27.10.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. DocAB48-2923

doi: 10.3205/23dkou225, urn:nbn:de:0183-23dkou2258

Veröffentlicht: 23. Oktober 2023

© 2023 Spering et al.
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Gliederung

Text

Fragestellung: Ziel der Studie war es, prädiktive Faktoren für das Vorliegen einer peripelvinen Gefäßverletzung bei Beckenfrakturen zu identifzieren und daraus einen Score zu generieren, der während des präklinischen Traumamanagements angewendet werden kann.

Methodik: Zur Identifkation potentieller prädiktiver Faktoren wurden Daten aus einem Level I TraumaZentrum (ÜTZ) (1) anhand von 467 Pat. (ISS>15 + AISPelvis>/=3) ausgewertet. Die Analyse inkludierte Patientenakten, Bildgebung, Mechanismus und Verletzungsmuster des Unfalls sowie die zugrundeliegende Gefäßverletzung. Die Auswertung erfolgte deskriptiv und mittels Inferenzstatistik.

Die detaillierten Analyse der prädiktiven Faktoren sowie Definition des Scores, erfolgte anhand der Daten aus dem TraumaRegister DGU® (TR-DGU) (2) (2012–21). Relevante Gefäßverletzung bei Patienten mit AIS>/=3 wurden definiert: (PVITR-DGU N=2.090; 22,7%): Beckenfraktur mit signifikanter Blutung (>20% des Blutvol.), Verletzung der Femoralarterie oder Bluttransfusion von >/=6 Erythrozytenkonzentrate vor Intensivaufnahme.

Die anschließende multivariate Analyse zeigte neun Faktoren, die den Pelvic Vascular Injury Score (P-VIS) bildeten.

Ergebnisse und Schlussfolgerung: In der lokalen Datenerhebung (1) wurden 467 Pat. eingeschlossen, von denen 24 (PVI) eine signifikante Gefäßverletzung aufwiesen (Control (C), N=443). PVI wiesen einen höheren ISS, niedrigere Hb-Werte und einen niedrigeren Blutdruck auf. Ihre Letalität war höher: PVI 17,4% vs. C 10,3%.

Für die weitere Analyse, Definition und Validierung des Scores im TR-DGU wurden 9.227 Pat. eingeschlossen. 2.090 wiesen eine signifikante peripelvine Gefäßverletzung (PVITR-DGU) auf (Kontrolle (CTR-DGU) 7.137 Pat.).

Neun prädiktive Parameter wurden identifiziert und bildeten den Pelvic Vascular Injury Score (P-VIS): Alter >/=70 Jahre, Hochrasanztrauma, Penetrierende Verletzung/Offene Beckenfraktur, Shock Index >/=1, Kardiopulmonale-Reanimation (CPR), Substitution von >1 L Flüssigkeit, Intubation, Notwendigkeit von Katecholamintherapie, Fortbestehender Schock (</=90 mmHg) unter Therapie. Der multidimensionale Score führt zu einer ordinalskalierten Einschätzung der Auftrittswahrscheinlichkeit einer peripelvinen Gefäßverletzung.

Ein Score von 3 Pkt. beschreibt mittelhohe bis hohe Wahrscheinlichkeit (<50%), 6 Pkt. weist auf das Vorliegen einer Blutung hin ( >50%). Nach Anwendung des Scores an die Studienpopulation zeigte sich bei PVIein medianer Score von 5 Pkt. (range 3–8) und ein medianer Score von 2 Pkt (range 0–3) bei C (p < 0,001). Das OR für peripelvine Gefäßverletzungen betrug 24,3 für die Pat. mit >/=3 Pkt vs. </=2 Pkt. Die TR-DGU Daten verifizierten diese Ergebnisse (median 2 Pkt. in CTR-DGU vs. median 3 Pkt. in PVITR-DGU).

Der P-VIS ermöglicht eine sichere und schnelle Einschätzung über Gefäßverletzungen bei Pat. mit Beckenfrakturen in der präklinischen Versorgung. Dadurch kann das Traumamanagement frühzeitig positiv beeinflusst werden, um akut blutende Schwerverletzte direkt der richtigen Zielklinik zuzuführen.