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Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2023)

24. - 27.10.2023, Berlin

Prospektive Einschätzung des Sturzrisikos anhand Machine-Learning-basierter Ganganalyse während des TUG-Tests mit 2 Jahres Follow-Up

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Moritz Kraus - Muskuloskelettales Universitätszentrum München LMU Klinikum, Schulthess Klinik Zürich, München, Germany
  • Maximilian Saller - Klinikum der Universität München, LMU München, Muskuloskelettales Universitätszentrum München (MUM), Klinikum der Universität München, LMU München, München, Germany
  • Alexander Keppler - Muskuloskelettales Universitätszentrum München, LMU Klinikum, München, Germany
  • Carl Neuerburg - Muskuloskelettales Universitätszentrum München, LMU Klinikum, München, Germany
  • Wolfgang Böcker - Muskuloskelettales Universitätszentrum München, LMU Klinikum, München, Germany
  • Ulla Stumpf - Muskuloskelettales Universitätszentrum München LMU Klinikum, München, Germany

Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2023). Berlin, 24.-27.10.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. DocAB41-3018

doi: 10.3205/23dkou183, urn:nbn:de:0183-23dkou1831

Veröffentlicht: 23. Oktober 2023

© 2023 Kraus et al.
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Gliederung

Text

Fragestellung: Zur Abschätzung des Sturzrisikos bei alterstraumatologisch betreuten Patienten gewinnen Ganganalysen zunehmend an Bedeutung, da vom Gangbild Rückschlüsse auf das vorhandene Niveau an Koordination, Kraft und Gleichgewicht möglich sind. Diese Faktoren werden auch in etablierten physischen Tests und „patient-reported“ Fragebögen erhoben. Das Ziel der Studie war es das Sturzassessment (SA) durch eine simple mobile Ganganalyse während des Timed-Up-and-Go-Tests (TUG-Test) zeitlich auf ein Minimum zu reduzieren und gleichzeitig mittels Machine Learning Algorithmen (MLA) die Einschätzung des Sturzrisikos zu verbessern.

Methodik: In einem prospektiven Studiendesign wurde 2020 in unserer alterstraumatologischen Osteoporosesprechstunde bei 58 Patienten zusätzlich zum standartmäßigen SA eine mobile 3D-Ganganalyse (Science Insole3®, Moticon, München) während des TUG Test durchgeführt. Das 2-Jahres-Follow-Up wurde mittels postalisch zugesandter Fragebögen erhoben. Neben der Anzahl an aufgetretenen Sturzereignisse wurden die Outcome-Scores EQ-5D-5L, FRAX® und SARC-F abgefragt. Die zum Einschlusszeitpunkt gesammelten Daten wurden mittels multipler Teststatistik mit der Gruppeneinteilung, hinsichtlich aufgetretener Sturzereignisse, verglichen. Anschließend wurden mittels eines recursive feature elimination Algorithmus (rfeA) die Parameter mit der höchsten Aussagekraft für das Sturzrisiko ermittelt, wobei der SPPB-Score als Referenz diente. Auf Basis der initialen Daten wurde ein Random-Forest (RF) MLA trainiert, und anschließend die Vorhersagegenauigkeit für im 2-Jahres-Verlauf aufgetretene Stürze mit der von den etablierten Scores SARC-F und TUG-Test verglichen.

Ergebnisse und Schlussfolgerung: Das Durchschnittsalter lag bei 80±7 Jahren, mit einem leicht höheren Alter von 82±6 bei Patienten die bereits gestürzt sind (p=0,11). Die Recall Rate betrug 71%. 11 Stürze waren zu verzeichnen. Bei den Gangparametern sowie den Outcome-Scores wiesen die beiden Gruppen keine signifikanten Unterschiede auf. Der mit den Gangparametern (Schrittanzahl, Schrittlänge, Gangzykluszeit, und -beschleunigung, Ganggeschwindigkeit, Alter, Schrittkadenz, COP-Variabilität und Doppelstandzeit) trainierte Random-Forest konnte Vorhersagen über Stürze mit Genauigkeit (ACC) von 0.93(95% CI: 0,80–0,99, Spez: 100%, Sens: 73%) machen. Im Vergleich dazu waren die Werte des TUG-Test (ACC: 67%; 95% CI: 0,49–0,81, Spez: ACC: 46% und Sens: 78%) und SARC-F (66%, 95% CI: 0,49–0,81), Spez: 43%, Sens:72%) etwas weniger verlässlich. PPW und NPW waren bei SARC-F und TUG schlechter als beim RF. Eine während des TUG-Tests durchgeführte Ganganalyse im mobilen Setting bietet eine zeiteffiziente Möglichkeit, um für das Sturzrisiko relevante Parameter erheben zu können. In unseren Händen ermöglicht die beschrieben Ganganalyse in Kombination mit MLA eine spezifischere Einschätzung des Sturzrisikos als die etablierten Scores. Diese haben dennoch ihren Stellenwert als Screening-Tool, da sie hinsichtlich Sensitivität mit dem Algorithmus vergleichbare Resultate liefern.