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Vordere Kreuzbandrupturen und ihre neuromuskulären Konsequenzen für Sportler
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Veröffentlicht: | 25. Oktober 2022 |
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Fragestellung: Die Beurteilung der Sportfähigkeit nach einer Verletzung am Bewegungsapparat bleibt eine (sport)medizinische Herausforderung. Auf der Suche nach Kriterien für die Freigabe sportartspezifischer Belastungen wurden verschiedene Tests und Testbatterien zur Belastungserprobung etabliert und empfohlen. Dennoch erreichen viele Athleten zum Zeitpunkt der Rückkehr in den Sport nicht die Mindestanforderungen. Infolge einer Verletzung des vorderen Kreuzbandes (VKB) kommt es auf der betroffenen Seite lokal zu einer funktionellen Teilparese der Muskeln des Quadriceps. Aufgrund der bestehenden Defizite und der hohen Reverletzungsraten sollten modifizierbare periphere und zentrale neuromuskuläre Faktoren gezielt analysiert und berücksichtigt werden. Ziel dieser Pilotstudie war es, erfolgreiche mit nicht erfolgreichen Athleten zum Zeitpunkt der Abschlusstestung anhand Muskelaktivitätscharakteristika zu vergleichen.
Methodik: Insgesamt wurden 45 Athleten (M/F: 37/8, Tegner: 7-9) nach einer primären Rekonstruktion des VKB (Semitendinosustransplantat) nach Abschluss der Rehabilitation mit dem Return-to-Competition (RTC) Protokoll der VBG (5-14 Monate post OP) untersucht. Davon erreichten lediglich 15 (33%) die Mindestanforderungen und bestanden die Testbatterie bestanden. In dieser retrospektiven Betrachtung konnten sechs Sportler (M/F: 6/0, 3 RTC bestanden) eingeschlossen werden, bei denen vor den RTC Tests die Muskelaktivität des M. vastus medialis mit Hilfe des Dekompositions-EMG (Delsys, Natick, USA) erfasst wurde. Nach Bestimmung der maximalen Willkürkontraktion (MVC) wurde eine 20 s dauernde isometrische Kontraktion bei 40% MVC im Sitzen durchgeführt. Das aufgezeichnete Summensignal wurde nach der Messung in Entladungsmuster einzelner motorischer Einheiten zerlegt. Die Ergebnisse werden aufgrund der kleinen Fallzahlen deskriptiv berichtet.
Ergebnisse und Schlussfolgerung: Die Dekomposition der EMG-Signale ergab pro Seite zwischen 19 und 36 motorische Einheiten. Auf der operierten Seite wiesen die erfolgreichen Sportler höhere Amplituden der Aktionspotentiale der motorischen Einheiten auf (0,244-0,277 mV). Diese waren auch deutlich höher im Vergleich zur nicht verletzten Seite. Im Gegensatz dazu wiesen die Sportler mit defizitärem Funktionszustand geringere Amplituden der Aktionspotentiale der motorischen Einheiten im Vergleich zur nicht verletzten Seite auf (0,123-0,163 mV). Die höchsten maximalen Entladungsraten der motorischen Einheiten (20,0-22,8/s) wiesen die Sportler mit defizitärem Funktionszustand auf der nicht verletzten Seite auf.
Periphere Anpassungen auf der Ebene der kleinsten funktionellen Einheit des Muskels sind deutlich erkennbar. Sie deuten auch auf eine Kompensation des neuromuskulären Systems, auch auf der nicht verletzten Seite, hin. Die ausgewählten Muskelaktivitätscharakteristika scheinen die Ergebnisse der funktionellen Testungen gut abzubilden und können helfen, den Funktionszustand des Sportlers nach einer Verletzung zu beurteilen.