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Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2022)

25. - 28.10.2022, Berlin

Mechanokompetenz von stammzellbasiertem Knorpelersatzgewebe

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Solvig Diederichs - Universitätsklinikum Heidelberg, Forschungszentrum für Experimentelle Orthopädie, Heidelberg, Germany
  • Wiltrud Richter - Universitätsklinikum Heidelberg, Forschungszentrum für Experimentelle Orthopädie, Heidelberg, Germany
  • Janine Lückgen - Universitätsklinikum Heidelberg, Forschungszentrum für Experimentelle Orthopädie, Heidelberg, Germany

Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2022). Berlin, 25.-28.10.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. DocAB70-1027

doi: 10.3205/22dkou556, urn:nbn:de:0183-22dkou5560

Veröffentlicht: 25. Oktober 2022

© 2022 Diederichs et al.
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Gliederung

Text

Fragestellung: Eine vollständige funktionale Regeneration skelettaler Defekte durch multipotente Stamm- und Vorläuferzellen erfordert, dass differenzierende Zellen die spezifische Mechanokompetenz des jeweiligen Zielgewebes erlangen. Am Beispiel der Knorpelneogenese fragten wir hier, ob die korrekte phänotypische Differenzierung mesenchymaler Stromazellen (MSCs) zu Chondrozyten in vitro die für native artikuläre Chondrozyten (ACs) adäquate Mechanokompetenz in diesen Zellen herstellt.

Methodik: Die Mechanokompetenz differenzierender humaner MSCs und ACs wurde während der Knorpelneogenese in vitro über 35 Tage verglichen. Die generierte Knorpelschicht wurde in einem spezialgefertigten Bioreaktor einer physiologischen dynamischen Belastung unterzogen und bezüglich Aktivierung mechanosensitiver Gene und Signalwege, der Synthese extrazellulärer Matrix (EZM) via radioaktivem Markierungsassay und der Produktion von Stickstoffmonoxid und Prostaglandin E2 untersucht. Der Einfluss unterschiedlicher Signalwege wurde mittels Behandlung mit Agonisten und Antagonisten überprüft.

Ergebnisse und Schlussfolgerung: MSCs und ACs bildeten Knorpelgewebe gleichen Proteoglykangehalts und einer dem nativen Gewebe nahekommenden Härte. Mechanostimulation an Tag 21 und 35 induzierte einen ähnlichen Anstieg mechanosensitiver Gene, ERK-Phosphorylierung, NO-Produktion und PGE2-Freisetzung in beiden Gruppen, was auf eine insgesamt ähnliche Transduktion externer mechanischer Signale hinwies. Während ACs allerdings mit zunehmender Reife die Proteoglykansynthese nach Belastung aufrechterhielten oder sogar steigerten, wurde die EZM-Synthese durch Belastung von differenzierenden MSCs, die signifikant erhöhte COX2- und BMP2-Hintergrundexpression, >100-fach erhöhte PGE2-Produktion und eine schwächere SOX9-Stimulation aufwiesen, signifikant beeinträchtigt. Anabole BMP-Signalwegsaktivität war für die EZM-Synthese in beiden Gruppen nicht limitierend. Allerdings ahmte eine NFκB-Aktivierung die negativen Belastungseffekte nach und erhöhte die PGE2-Produktion, während Inhibierung des katabolen NFκB-Signals die unter Belastung beeinträchtigte EZM-Synthese in differenzierten MSCs rettete.

MSCs zeigten also trotz korrekter phänotypischer Differenzierung eine höhere Vulnerabilität gegenüber mechanischer Belastung und erlangten die erwünschte Mechanokompetenz von ACs nicht, die dem Stress eines physiologischen Belastungsprotokolls leicht standhielten. Die katabolen Einflüsse von NFκB gut zu beherrschen ist also eine wichtige Adaption, um eine AC-ähnliche Mechanoresistenz zu erreichen. Diese neuen Erkenntnisse verlangen nach funktionellen Anpassungen der MSC-Chondrogenese, neuartigen pharmakologischen Behandlungsansätzen bei MSC-basierten klinischen Knorpelregenerationsstrategien und könnten helfen, die Physiotherapie nach AC- bzw. MSC-basierten operativen Verfahren der Knorpelreparatur rationaler zu gestalten.