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Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2022)

25. - 28.10.2022, Berlin

Individualisierte Simulations-basierte Prognose der Knochenheilung einer Unterschenkelfraktur in Abhängigkeit der operativen Versorgung und früher postoperativer Bewegungsdaten

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Marcel Orth - Universitätsklinikum des Saarlandes, Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Homburg, Germany
  • Michael Roland - Lehrstuhl für Technische Mechanik, Universität des Saarlandes, Saarbrücken, Germany
  • Bergita Ganse - Lehrstuhl Innovative Implantatentwicklung (Frakturheilung), Universität des Saarlandes, Homburg, Germany
  • Annchristin Andres - Lehrstuhl für Technische Mechanik, Universität des Saarlandes, Saarbrücken, Germany
  • Max Müller - Universitätsklinikum des Saarlandes, Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Homburg, Germany
  • Janine Stutz - Universitätsklinikum des Saarlandes, Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Homburg, Germany
  • Tobias Fritz - Universitätsklinikum des Saarlandes, Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Homburg, Germany
  • Antonius Pizanis - Universitätsklinikum des Saarlandes, Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Homburg, Germany
  • Stefan Diebels - Lehrstuhl für Technische Mechanik, Universität des Saarlandes, Saarbrücken, Germany
  • Tim Pohlemann - Universitätsklinikum des Saarlandes, Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Homburg, Germany

Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2022). Berlin, 25.-28.10.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. DocAB64-817

doi: 10.3205/22dkou503, urn:nbn:de:0183-22dkou5033

Veröffentlicht: 25. Oktober 2022

© 2022 Orth et al.
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Gliederung

Text

Fragestellung: Die Rate an Pseudarthrosen nach Unterschenkelfrakturen ist weiterhin hoch. Mechanische Verhältnisse im Frakturspalt stellen je nach operativer Versorgung - neben anderen Faktoren - eine Hauptursache hierfür dar. In Vorarbeiten konnten erste Grenzwerte für Mikrobewegungen und lokale Dehnungsgrößen im Frakturspalt bestimmt und ein Simulationsworkflow zur klinischen Anwendbarkeit erarbeitet werden. Ziel dieser Arbeit war es, individualisierte Simulationen der mechanischen Verhältnisse einer Unterschenkelfraktur in Abhängigkeit der operativen Versorgung und unter Berücksichtigung verschiedener patientenspezifischer Bewegungsdaten durchzuführen, um daraus eine optimierte Versorgung sowie frühzeitige Heilungsprognose für Patienten abzuleiten.

Methodik: Auf Basis eines klinischen Falls mit Unterschenkelfraktur wird mittels vorhandener Bilddaten ein geometrisches Finite-Elemente(FE)-Modell der Verletzung erzeugt. Lokale Dehnungsgrößen [MPa] in der Tibiafraktur werden nach Versorgung durch Marknagel und operativ stabilisierter Fibulafraktur (FibOP; reale Versorgung) bzw. nicht stabilisierter Fibula (Fib#) sowie bei gesunder Fibula (Fib) und ohne Fibula (NoFib) simuliert. Während der frühen postoperativen Mobilisation mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten (1,0/1,5/2,0km/h) werden die patientenspezifische Gelenkkinematik und Bodenreaktionskräfte gemessen. Die Bewegungsdaten der einzelnen Schritte (n=20) werden als Randbedingungen in die Simulation der mechanischen Verhältnisse im Frakturspalt eingebracht. Im Anschluss wird die Knochenheilung unter Berücksichtigung bekannter Grenzwerte prognostiziert und mit dem natürlichen Verlauf des Patienten validiert.

Ergebnisse und Schlussfolgerung: Die Simulationen zeigen unterschiedliche Spannungsmaxima auf dem Marknagel im Bereich der Fraktur je nach operativer Versorgung (FibOP: 99; Fib#: 139; Fib: 97; NoFib: 167). Bei FibOP liegen innerhalb eines Schrittzyklus bis zu 88% der Elemente im Frakturspalt im regulären Heilungsfenster, während diese bei den anderen virtuellen Versorgungen häufiger außerhalb liegen (teils >50%). Darüber hinaus zeigt FibOP mit Bewegungsdaten, dass in der Mitte des Schrittzyklus eine Geschwindigkeits-abhängige Anzahl von Elementen außerhalb des Heilungsfensters zu erkennen ist, die räumlich den Stellen im Frakturbereich zugeordnet werden können, die klinisch langsamer heilen. Die Simulationen bilden den Verlauf der Knochenheilung analog zum klinischen Verlauf ab.

Zusammengefasst zeigen diese Daten, dass die Versorgung einer Fibulafraktur und deren Einfluss auf eine begleitende Tibiafraktur durch FE-Simulationen patientenspezifisch abgebildet werden kann. Zudem wird der Einfluss des postoperativen Gangmusters und der Ganggeschwindigkeit auf die Knochenheilung mit Hilfe individueller Bewegungsdaten nachgewiesen und eine frühzeitige Prognose der Heilung ermöglicht. Dies erlaubt eine optimierte, individuelle Versorgung und könnte künftig für die Behandlung von Unterschenkelfrakturen und die Entwicklung neuer Implantate von Nutzen sein.