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Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2022)

25. - 28.10.2022, Berlin

Prüfung der Schockraumindikation nach Unfallhergang in Korrelation zur Verletzungsschwere und hinsichtlich einer korrekten Anwendung durch den Rettungsdienst

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Martin Heinrich - Universitätsklinikum Gießen-Marburg, Standort Gießen, Klinik/Poliklinik für Unfall-, Hand- u. Wiederherstellungschirurgie, Experimentelle Unfallchirurgie, Gießen, Germany
  • Carl-Luis Lange - Universitätsklinikum Gießen-Marburg, Standort Gießen, Klinik/Poliklinik für Unfall-, Hand- u. Wiederherstellungschirurgie, Operative Notaufnahme, Gießen, Germany
  • Christoph Biehl - Universitätsklinikum Gießen-Marburg, Standort Gießen, Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Gießen, Germany
  • Christian Heiß - Universitätsklinikum Gießen-Marburg, Standort Gießen, Klinik/Poliklinik für Unfall-, Hand- u. Wiederherstellungschirurgie, Experimentelle Unfallchirurgie, Gießen, Germany

Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2022). Berlin, 25.-28.10.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. DocAB60-1096

doi: 10.3205/22dkou468, urn:nbn:de:0183-22dkou4685

Veröffentlicht: 25. Oktober 2022

© 2022 Heinrich et al.
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Gliederung

Text

Fragestellung: Die in der aktuellen S3-Leitlinie Polytrauma/Schwerstverletzten-Behandlung definierten Unfallhergangs-Kriterien (GoR B) werden in der Wissenschaft bezüglich ihrer Prognosefähigkeit einer Schwerverletzung als kritisch eingestuft. Ist eines dieser sechs Kriterien erfüllt, sollte laut Leitlinie eine umgehende Schockraumeinweisung erfolgen. In vorliegender Arbeit werden die Unfallhergangs-Kriterien hinsichtlich Effektivität, korrekter Anwendung durch den Rettungsdienst und der Schwere der diagnostizierten Verletzung überprüft.

Methodik: Die retrospektive Datenauswertung umfasst alle Patienten aus 2018 und 2019 eines universitären, überregionalen Traumazentrums, die aufgrund der Unfallhergangs-Kriterien in den Schockraum (SR) eingeliefert wurden (n = 694). Anhand der präklinischen und klinischen Dokumentation der elektronischen Patientenakte wurden die Daten erhoben und die Verletzungsschwere mittels Maximum Abbreviated Injury Scale (MAIS), New Injury Severity Score (NISS) und Injury Severity Score (ISS) bestimmt. Die statistische Auswertung erfolgte mittels SPSS.

Ergebnisse: In dem großen (n = 694) Patientenkollektiv zeigte sich eine niedrige durchschnittliche Verletzungsschwere (MAIS-Mittelwert: 1,5, ISS-Mittelwert: 4,2, NISS-Mittelwert: 5,7). Lediglich 42 Patienten (6,1%) der 694 waren schwerverletzt (ISS >= 16). Das posteriore klinische Reassessment konnte zeigen, dass 532 (76,7%) der 694 Patienten aufgrund der Unfallhergangs-Kriterien korrekt durch den Rettungsdienst in den SR eingewiesen wurden. Lediglich 17 Patienten (3,2%) waren schwerverletzt (MAIS-Mittelwert: 1,3, ISS-Mittelwert: 3,4, NISS-Mittelwert: 4,6). Bei 162 Patienten (23,3%) der 694 war im posterioren klinischen Reassessment keines der sechs Kriterien der S3-Leitlinie erfüllt. 25 Patienten (15,4%) waren schwerverletzt (MAIS-Mittelwert: 1,9, ISS-Mittelwert: 7,0, NISS-Mittelwert: 9,5). Mittels Mann-Whitney-U-Tests kann gezeigt werden, dass der Median des ISS, NISS und MAIS in der Gruppe der nach Unfallhergangs-Kriterien nicht korrekt in den SR eingewiesenen Patienten signifikant höher (p < 0,001) ist, als in der Gruppe der korrekt eingewiesenen Patienten. Mittels exaktem Chi-Quadrat-Test nach Fisher kann ebenso gezeigt werden, dass die Anzahl der Schwerverletzten in der Gruppe der nicht korrekt eingewiesenen Patienten signifikant höher (p < 0,001) ist als in der Gruppe der korrekt eingewiesenen Patienten.

Schlussfolgerung: In vorliegendem Kollektiv (n = 694) zeigt sich, dass die SR-Aktivierungskriterien nach Unfallhergang, insbesondere wenn richtig angewendet, nicht geeignet sind, schwerverletzte, polytraumatisierte Patienten zu identifizieren. Der Unfallhergang als alleinig gewähltes Kriterium legitimiert die SR-Indikation/-Behandlung nur begrenzt.