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Induziert die präklinische Schmerzmittelgabe bei pädiatrischen Traumapatienten eine vermehrte und unnötige Bildgebung in der Notaufnahme?
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Veröffentlicht: | 25. Oktober 2022 |
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Fragestellung: Ketamin wird in der Notfallmedizin eingesetzt, da es den Blutdruck erhöht und nicht atemdepressiv wirkt. Alternativ kann Fentanyl eingesetzt werden. Fentanyl ist ein starkes Analgetikum mit atemdepressiver und hypotensiver Wirkung. Ketamin kann jedoch dissoziative Reaktionen verursachen. Bisher wurde nicht untersucht, inwieweit diese Effekte einer Analgosedierung bei einem nicht intubierten Patienten die radiologische Diagnostik in der Notaufnahme beeinflussen. Besonders Kinder sind gefährdet, da sie empfindlich für karzinogene Schäden durch ionisierende Strahlung sind.
Methodik: Es erfolgte eine retrospektive Datenanalyse von 1695 pädiatrischen Patienten (Alter < 18 Jahre), die zwischen Januar 2015 und Dezember 2020 in die Notaufnahme eines Level 1 Traumazentrums transportiert wurden. Ausschlusskriterien waren Intubation (n=50), externe Bildgebung (n=202), fehlendes Rettungsprotokoll (n=298), keine Behandlung durch Notarzt (n=602), Gabe eines Schmerzmittels neben Fentanyl oder Ketamin (n=33) oder gleichzeitige Gabe von Fentanyl und Ketamin (n=8). 502 pädiatrische Patienten wurden eingeschlossen, welche in 3 Gruppen eingeteilt wurden (kein Schmerzmittel, Fentanyl, Ketamin) . Die 3 Gruppen wurden bezüglich der Parameter Alter, GCS, ISS, Notwendigkeit einer Operation, Dauer des stationären Aufenthaltes, CT-Diagnostik und Therapiekonsequenz untersucht.
Ergebnisse und Schlussfolgerung: Nur 51,6% der pädiatrischen Patienten erhielten ein Schmerzmittel. Kinder, die präklinisch Fentanyl erhielten, waren signifikant älter (11,4 ± 3,5 Jahre; Ketamin 9,3 ± 4,3 Jahre; kein Schmerzmittel 9,1 ± 4,6 Jahre) und nach ISS auch schwerer verletzt (Fentanyl 6,0 ± 4,5; Ketamin 5,1 ± 3.5; kein Schmerzmittel 4,1 ± 4,2). In der Notaufnahme war der GCS signifikant höher (Fentanyl 14,7 ± 1,0; Ketamin 14,2 ± 1,7; kein Schmerzmittel 14,4 ± 1,4). Der stationäre Aufenthalt war länger (Fentanyl 4,1 ± 4,7 Tage; Ketamin 3,7 ± 5,5 Tage; kein Schmerzmittel 3,4 ± 9,6 Tage). Bei der Entscheidung zur Durchführung eines CT-Polytraumascans gab es keinen signifikanten Unterschied (Fentanyl 25/118 (21%); Ketamin 15/141 (11%); kein Schmerzmittel 32/243 (13%)). Bei der Trefferwahrscheinlichkeit eines pathologischen Befundes (Fentanyl 16/25 (64%); Ketamin 10/15 (67%); kein Schmerzmittel 25/32 (78%)) und bei der Therapiekonsequenz (Fentanyl 6 (24%); Ketamin 4 (27%); kein Schmerzmittel 10 (31%) gab es keinen signifikanten Unterschied. Bei isolierter CT-Bildgebung des Schädels war die Trefferwahrscheinlichkeit eines pathologischen Befundes nach Fentanyl-Gabe (50%) tendenziell höher als nach Ketamin-Gabe (20%) oder ohne Schmerzmittel (20%). Auch die Therapiekonsequenz in der Fentanyl-Gruppe war höher (33%) als in der Ketamin-Gruppe (20%).
Fazit: Die Art des Schmerzmittels der pädiatrischen Patienten scheint eine untergeordnete Rolle für die Beurteilbarkeit und die indizierte Bildgebung zu spielen. Jedoch überrascht die hohe Rate an nicht gegebener Analgesie trotz anwesendem Notarzt. Hier besteht weiterer Forschungs- und Aufklärungsbedarf.