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Schlechteres Outcome nach Polytrauma durch Etomidate? Ist die S3-Empfehlung zur Vermeidung von Etomidate noch aktuell?
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Veröffentlicht: | 22. Oktober 2019 |
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Fragestellung: Der Einsatz von Etomidate im Rahmen der präklinischen Notfallnarkose wird in Fachkreisen kritisch diskutiert. Einerseits ist das kardiovaskuläre Profil vorteilhaft, durch eine nachgewiesene Suppression der Cortisolproduktion wird jedoch angenommen, dass Etomidate das Outcome nach Polytrauma negativ beeinflusst. In der aktuellen S3-Leitlinie Polytrauma/Schwerstverletztenversorgung wird von der Verwendung von Etomidate zur Narkoseeinleitung bei Schwerstverletzten abgeraten (GoR B). Wie sicher ist die Anwendung von Etomidate als Einleitungsnarkotikum bei polytraumatisierten Erwachsenen?
Methodik: In einer prospektiven single-center Studie wurden alle primär versorgten polytraumatisierten (ISS ≥ 16), erwachsenen (≥ 18 Jahre) Patienten eines ÜTZ im Zeitraum von 88 Monaten untersucht. Die Patienten mussten entweder präklinisch oder im Schockraum eine Narkose erhalten haben. Ausschlusskriterien waren infauste Kopfverletzungen (AIS Kopf=6), Zu- und Weiterverlegung, CPR ohne ROSC und fehlende Daten zur Narkose.
Es wurden 2 Gruppen, mit und ohne Verwendung von Etomidate als Einleitungshypnotikum, gebildet.
Zur Analyse standen die Variablen des TraumaRegisters DGU® und weitere 350 eigene Variablen zur Verfügung.
Die statistischen Auswertungen erfolgten mittels Kolmogoroff-Smirnoff-Test, Chi²-Test, Mann-Whithney-U-Test und Kursaal-Wallis-Test. Das Signifikanzniveau wurde bei 0,05 gesetzt.
Ergebnisse und Schlussfolgerung: Es konnten 387 Fälle eingeschlossen werden.
Insgesamt erhielten 30% (n=116) der 387 Patienten eine Narkoseeinleitung mit Etomidate. Zu Beginn des Studienzeitraums lag dieser Anteil noch bei 100% (2007/2008) und sank dann kontinuierlich ab. 2009 lag der Anteil mit 24 von insgesamt 57 Patienten bei 42,1%, 2010 mit 18 von 50 Fällen bei 36,0%, 2011 mit 12 von 45 Patienten bei 26,7%, 2012 mit 6 von 54 Patienten nur noch bei 11,1% und 2013 mit 5 von 84 Patienten bei 6,0%. Mit 4 von insgesamt 50 Fällen (8,0%) war für 2014 ein minimaler Ansteig zu verzeichnen. ISS, RISC2 sowie Verletzungsmuster waren für beide Gruppen vergleichbar. 61,2% (n=71) der Patienten in der Etomidate-Gruppe wiesen einen GOS von 4 oder 5 auf. In der Kontrollgruppe waren es 62,0% (n=168; p=0,0884). Die Gabe von Etomidate hat somit keinen Einfluss auf den GOS gezeigt. Auch die Mortalität in den beiden Gruppen unterschied sich nicht signifikant voneinander (19% vs. 18,5%; p=0,905). Bezüglich der Inzidenz von Pneumonien, Sepsis, ARDS oder MOV zeigte sich kein statistisch signifikanter Unterschied.
Ebenso waren die Dauer des Krankenhausaufenthaltes, des Intensivaufenthaltes und der maschinellen Beatmung nicht statistisch signifikant unterschiedlich.
Somit konnten in dieser Studie keine negativen Auswirkungen der Gabe von Etomidate auf das Outcome, die Rate von Komplikationen und die Mortalität der Polytraumapatienten im untersuchten Zeitraum in der untersuchten Region festgestellt werden.