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Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2018)

23.10. - 26.10.2018, Berlin

Verhindert die Überdehnung des medialen Seitenbandes nach aufklappender HTO die gewünschte Lateralisierung der mechanischen Beinachse?

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Andreas Martin Seitz - Institut für Unfallchirurgische Forschung und Biomechanik, Zentrum für Traumaforschung Ulm, Universitätsklinikum Ulm, Ulm, Germany
  • Manfred Nelitz - MVZ Oberstdorf-Kempten, Oberstdorf, Germany
  • Anita Ignatius - Institut für Unfallchirurgische Forschung und Biomechanik, Zentrum für Traumaforschung Ulm, Universitätsklinikum Ulm, Ulm, Germany
  • Lutz Dürselen - Institut für Unfallchirurgische Forschung und Biomechanik, Zentrum für Traumaforschung Ulm, Universitätsklinikum Ulm, Ulm, Germany

Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2018). Berlin, 23.-26.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. DocGF12-161

doi: 10.3205/18dkou450, urn:nbn:de:0183-18dkou4502

Veröffentlicht: 6. November 2018

© 2018 Seitz et al.
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Gliederung

Text

Fragestellung: Die aufklappende, hohe Tibiaosteotomie (HTO) stellt ein Standardverfahren bei der operativen Versorgung der Varusgonarthrose dar. Jedoch wird die erwünschte Lateralisierung der mechanischen Beinachse klinisch nicht immer erzielt. Ein Grund hierfür könnte sein, dass die durch das intraligamentäre Aufklappen entstehende Überdehnung des medialen Seitenbandes (MCL) entgegen der knöchernen Winkelanpassung arbeitet und so die Umstellung verhindert. Um dies zu verifizieren wurden die folgenden beiden Hypothesen untersucht:

1.
Die aufklappende HTO verursacht eine Überdehnung des MCLs und die Entlastung des medialen Gelenkkompartiments wird verhindert.
2.
Durch einen Release des MCLs nimmt die Überbelastung des MCLs ab und gewünschte Lateralisierung der mechanischen Beinachse wird erzielt.

Methodik: Um den maximalen, tibiofemoralen Kontaktdruck (CPmax) zu erfassen, wurden sechs humane Kniegelenke (59,5 ± 6,5 Jahre) mit einem Druckmesssystem (K-Scan, Tekscan Inc., USA) ausgestattet. Die Dehnungen im anterioren (εant) und posterioren (εpost) Anteil des MCL wurden mit Miniaturwegaufnehmern (M-DVRT, LORD Corp., USA) auf Höhe des Kniegelenkspaltes erfasst. Die Kniegelenke in Extensionsstellung in einer Materialprüfmaschine (Z010, Zwick GmbH) dreimal von 50N bis 1000N belastet. Um den Einfluss des Osteotomiewinkels zu untersuchen wurde dieser mit Hilfe eines externen Fixateurs von α=0°, 5° bis 10° variiert. Die Versuche wurden zuerst mit intaktem danach mit durchtrenntem MCL durchgeführt.

1.
Der Einfluss von α auf εant und εpost wurde mittels Wilcoxon Test untersucht. Der Einfluss von α auf CPmax wurde mittels Friedman-Test und post-hoc Wilcoxon Test untersucht.
2.
CPmax wurde im intakten MCL und im durchtrennten MCL Zustand per Wilcoxon Test unter α=0°, 5° und 10° verglichen. p≤0,05 wurde für alle statistischen Auswertungen als statistisch signifikant angenommen.

Ergebnisse und Schlussfolgerung:

1.
Mit zunehmendem Osteotomiewinkel (α=5°→10°) nahm die Bandspannung nur anterior signifikant zu (p=0,04, Abbildung 1A [Abb. 1]). CPmax nahm mit zunehmendem Osteotomiewinkel im medialen Kniekompartiment tendentiell zu und im lateralen signifikant ab (p=0,04, Abbildung 1B [Abb. 1]), was Hypothese 1 bestätigte.
2.
Erst der MCL Release resultierte in einer signifikanten Abnahme des medialen Kontaktdruckes ab einem Osteotomiewinkel von 10° (p=0,03, Abbildung 1B [Abb. 1]), was Hypothese 2 bestätigte.

Diese Studie unterstreicht aus biomechanischer Sicht die Notwendigkeit eines zumindest partiellen (anterioren) Release des MCL bei aufklappender HTO, wobei erst ein Osteotomiewinkel von 10° den gewünschten Effekt bringt. Allerdings sollte dieses Vorgehen insbesondere bei ligamentär instabilen Kniegelenken kritisch hinterfragt werden.