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Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2018)

23.10. - 26.10.2018, Berlin

Gewaltopferversorgung – Wie sieht die Versorgung von Gewaltopfern unmittelbar nach einer Implementierung einer Gewaltopferambulanz und sieben Jahre später aus?

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Anja Bergermann - Universitätsklinikum Düsseldorf, Klinik für Unfall- und Handchirurgie, Düsseldorf, Germany
  • David Latz - Universitätsklinikum Düsseldorf, Klinik für Unfall- und Handchirurgie, Düsseldorf, Germany
  • Jeannie Jungnitsch - Universitätsklinikum Düsseldorf, Institut für Rechtsmedizin, Düsseldorf, Germany
  • Jan Graßmann - Universitätsklinikum Düsseldorf, Klinik für Unfall- und Handchirurgie, Düsseldorf, Germany
  • Britta Gahr - Universitätsklinikum Düsseldorf, Institut für Rechtsmedizin, Düsseldorf, Germany
  • Hildegard Lilly Graß - Universitätsklinikum Düsseldorf, Institut für Rechtsmedizin, Düsseldorf, Germany
  • Pascal Jungbluth - Uniklinik Düsseldorf, Klinik für Unfall- und Handchirurgie, Düsseldorf, Germany
  • Joachim Windolf - Universitätsklinikum Düsseldorf, Klinik für Unfall- und Handchirurgie, Düsseldorf, Germany

Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2018). Berlin, 23.-26.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. DocAT31-1216

doi: 10.3205/18dkou436, urn:nbn:de:0183-18dkou4365

Veröffentlicht: 6. November 2018

© 2018 Bergermann et al.
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Gliederung

Text

Fragestellung: Aufgrund von Verletzungsfolgen ist die erste Anlaufstelle eines Gewaltopfers in der Regel die Notaufnahme eines Krankenhauses. Die Behandlung beschränkt sich dabei häufig auf die vordringliche chirurgische Versorgung etwaiger Verletzungen. Zur gerichtfesten Dokumentation der Verletzungsfolgen wurde in unserer Klinik im Jahr 2007 zusammen mit der Rechtsmedizin eine interdisziplinäre Gewaltopferambulanz implementiert. Ziel dieser Studie war einerseits die Erfassung und Charakterisierung von Gewaltopfern in einer chirurgischen Notaufnahme, andererseits die Dokumentation des Inanspruchnahmeverhaltens in der angebundenen rechtsmedizinischen Gewaltopferambulanz im Zeitraum von 2007–2009 (Phase A) unmittelbar nach Implementierung sowie nach mehrjähriger Etablierung der Gewaltopferambulanz in 2014–2016 (Phase B).

Methodik: Die Einschätzung der Gewaltopfer erfolgte durch den erstbehandelnden Unfallchirurgen basierend auf Anamnese und der körperlichen Untersuchung. Allen als Gewaltopfer identifizierten Patienten wurde die Vorstellung in der interdisziplinären Gewaltopferambulanz empfohlen und eine standardisierte Broschüre mit weiteren Informationen und den Kontaktdaten ausgehändigt. Retrospektiv wurden die dokumentierten Befunde aus der Notaufnahme anonymisiert ausgewertet und mit denen der durch die Unfallchirurgie überwiesenen Patienten der rechtsmedizinischen Gewaltopferambulanz abgeglichen.

Ergebnisse und Schlussfolgerung: Die Identifizierung von Gewaltopfern (Phase A: 176 von 20.112 Patienten [0,9 %]) konnte nahezu verdoppelt werden (Phase B: 344 von 22.091 Patienten [1,6%]). Das Geschlechterverhältnis, die Form der Gewalt sowie der Vorstellungszeitpunkt in der Notaufnahme waren in beiden Untersuchungsphasen weitestgehend konstant. Die Zuordnung von öffentlicher zu häuslicher Gewalt konnte in Phase B eindeutiger erfolgen und der Anteil von Opfern öffentlicher Gewalt steigerte sich deutlich. Die Opfer häuslicher Gewalt waren in beiden Phasen überwiegend weiblich und die Opfer öffentlicher Gewalt männlich. Dabei sank die prozentuale Inanspruchnahme der rechtsmedizinischen Gewaltopferambulanz durch überwiesene Patienten aus der Unfallchirurgie in der Phase B leicht (22,2% zu 17,2%). Es zeigte sich, dass Frauen (26,0%) und Opfer häuslicher Gewalt (33,3%) das höchste, Männer (13,8%) und Opfer öffentlicher Gewalt (17,5%) das niedrigste Inanspruchnahmeverhalten aufwiesen. Männer, die Opfer öffentlicher Gewalt wurden zeigten das niedrigste Inanspruchnahmeverhalten (13,5%), wohingegen Männer nach häuslicher Gewalt die Gewaltopferambulanz überdurchschnittlich oft in Anspruch nahmen (38,9%).

Es konnte in den vergangenen Jahren in unserer Klinik durch Schulungen der unfallchirurgischen Ärzte und Implementierung einer interdisziplinären Gewaltopferambulanz die Identifikation von Gewaltopfern deutlich gesteigert und die gerichtsfeste Dokumentationsqualität wesentlich verbessert werden. Dies demonstriert die Notwendigkeit der interdisziplinären Zusammenarbeit in der Gewaltopferversorgung.