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Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2018)

23.10. - 26.10.2018, Berlin

Identifikation und Analyse von Einflussgrößen auf die Inzidenz von Verkehrsunfall-bedingten Beckenverletzungen bei PKW-Insassen

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Alexander Pape - Orthopädie und Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Dresden, Dresden, Germany
  • Henrik Liers - Verkehrsufallforschung an der TU Dresden GmbH, Dresden, Germany
  • Jaroslaw Pyrc - Orthopädie und Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Dresden, Dresden, Germany
  • Philipp Ulrich Bula - Unfallchirurgie, Städtisches Klinikum Friedrichstadt, Dresden, Germany
  • Klaus-Dieter Schaser - Orthopädie und Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Dresden, Dresden, Germany
  • Lars Hannawald - Hochschule für Technik und Wirtschaft, Kraftfahrzeug-, Fahrzeugtechnik, Fahrzeugsicherheit, Unfallanalytik, Dresden, Germany
  • Christian Kleber - Orthopädie und Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Dresden, Dresden, Germany

Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2018). Berlin, 23.-26.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. DocAT20-650

doi: 10.3205/18dkou355, urn:nbn:de:0183-18dkou3554

Veröffentlicht: 6. November 2018

© 2018 Pape et al.
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Gliederung

Text

Fragestellung: Beckenverletzungen (BV) infolge Hochrasanztraumata sind lebensbedrohliche Verletzungen mit hoher Morbidität. Bei stetig steigendem Verkehrsaufkommen und stagnierend hoher Anzahl an Verkehrsunfällen (VU) stellt sich die Frage nach der Inzidenz von BV und inwiefern diese durch innovative Fahrzeugsicherheitssysteme positiv beeinflusst werden. Anhand detaillierter Unfall- und klinischen Daten sollen Einflussgrößen von schweren BV identifiziert werden.

Methodik: Anhand der German In-Depth Accident Study (GIDAS) wurden alle PKW-Insassen mit relevanten Verletzungen (AIS2+) im Zeitraum von 2005-2017 bezüglich Charakteristika, Frakturklassifikation, Polytraumata (ISS16+), Unfallkenngrößen (DeltaV [Beschleunigung in km/h], EES [Energy equivalent speed], Aufprallrichtung), Umwelt- und Fahrzeugparametern (u.a. Unfallort, Straßenart, Fahrzeugklasse, Aktivierung passiver Sicherheitssysteme, Gurtnutzung, Sitzposition) retrospektiv analysiert. Dabei wurden Personen mit (BAIS2+) und ohne BV (MAIS2+) bei gleicher Alters- (44/42Jahre) und Geschlechtsverteilung (Männer 57/56%) miteinander verglichen (T-/Chi-Quadrat-Test; p<0,05).

Ergebnisse und Schlussfolgerung: 11% der insgesamt 1400 verunfallten Personen wiesen eine BV (BAIS2+, n=149) auf, am häufigsten zusammen mit Thorax- (64%) und Extremitätenverletzungen (55%). BV waren dabei 3x häufiger mit Polytraumata (ISS 16+) assoziiert (47/15%, p<0,001) und führten insgesamt 3,7x häufiger zum Tode (22/6%, p<0,001). Die untersuchten Umweltbedingungen, die Fahrzeugklasse, der Unfallort sowie die Sitzposition hatten keinen signifikanten Einfluss auf das BV-Risiko. Entsprechend der Kenntnis der BV als Hochrasanzverletzung konnte ein signifikant höherer EES (43±19/33±18km/h, p<0,001) und DeltaV (46±21/36±20km/h, p<0,001) für diese VU nachgewiesen werden. Eine Ejektion aus dem PKW führte 2,5x häufiger zu einer BV (5/2%, p 0,005). Als spezifischen Unfallmechanismus konnte eine 2x höhere Inzidenz an BAIS2+ bei Seitenanprall nachgewiesen werden (60/29%, p<0,001), die durch aktivierte Seitenairbags signifikant reduziert wurde (58/37%, p<0,001). Beim Frontalaufprall (Frontinsassen, aktivierter Frontairbag) (29/42%) lag die Inzidenz an BAIS3+ signifikant höher als in der Vergleichsgruppe (p<0,0001). Das Fehlen eines Gurtstraffers erhöht das BV-Risiko für AIS3+ signifikant (31/44%; p<0,0001).

VU-bedingte BV sind mit einem erhöhten Polytraumata- und Mortalitätsrisiko verbunden, wobei die Geschwindigkeitsparameter einen signifikanten Einfluss auf das BV-Risiko haben. Frontairbags zeigten beim Frontalanprall keine Schutzwirkung für BV, wohingegen Seitenairbags bei Seitenanprall und Gurtstraffer die Inzidenz der BV positiv beeinflussten. Detaillierte Kenntnisse der Unfallkenngrößen, Umwelt-/Fahrzeugparameter im Verbund mit Verletzungsschwere, Begleitverletzungen/Polytrauma, Frakturtypen erlauben perspektivisch eine präventive Entwicklung von Fahrzeugsicherheitssystemen, aber auch gezielte Optimierungen im Traumamanagement dieser schweren und prognoserelevanten Verletzung.