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Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2018)

23.10. - 26.10.2018, Berlin

Prognoseabschätzung bei Polytrauma – Sind komplexe Scores grundsätzlich genauer?

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Robert Girshausen - Universitätsklinikum Aachen, Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Aachen, Germany
  • Klemens Horst - Universitätsklinikum Aachen, Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Aachen, Germany
  • Frank Hildebrand - Universitätsklinikum Aachen, Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Aachen, Germany
  • Hagen Andruszkow - Universitätsklinikum Aachen, Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Aachen, Germany

Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2018). Berlin, 23.-26.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. DocAT15-279

doi: 10.3205/18dkou318, urn:nbn:de:0183-18dkou3185

Veröffentlicht: 6. November 2018

© 2018 Girshausen et al.
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Gliederung

Text

Fragestellung: In den letzten Jahrzehnten wurden viele Scores zur Abschätzung der Prognose nach Polytrauma entwickelt. Diese basieren entweder auf anatomischen Verletzungsmustern, physiologischen Parametern oder einer Kombination aus beidem. Die verschiedenen Scores unterscheiden sich erheblich in ihrer Komplexität und der Verfügbarkeit der benötigten Parameter. Hieraus folgt ein Konflikt zwischen prädiktiver Qualität und einfacher Anwendbarkeit im klinischen Alltag.

Methodik: Durchführung einer retrospektiven Analyse polytraumatisierter Patienten eines überregionalen Traumazentrums zur Validierung der prädiktiven Genauigkeit etablierter Scores. Einschlusskriterien waren ein ISS ≥9 und Alter ≥18 Jahre im Zeitraum 2010-2015. Primärer Endpunkt war die innerklinische Mortalität. Zur Validierung der prädiktiven Vorhersagekraft erfolgte eine Receiver Operating Characteristic (ROC)-Analyse.

Ergebnisse und Schlussfolgerung: 465 Patienten wurden eingeschlossen. 72,3% (n=336) waren männlichen Geschlechts, das mittlere Alter betrug 51,2 ± 20,3 Jahre, die Gesamtverletzungsschwere lag bei ISS 24,8 ± 8,6. Die untersuchten Scores (ISS; NISS; APACHE II; RTS; SOFA; Marshall MODS; RISC II; Early Appropriate Care, EAC) wurden im Hinblick auf die Mortalität während des Krankenhausaufenthaltes untersucht, wobei die Scorewerte bei stationärer Aufnahme zur Detektierung einer frühestmöglichen Vorhersagekraft Anwendung finden (Abbildung 1 [Abb. 1]). Der RISC II zeigte die beste Vorhersagequalität (ROC area under the curve, AUC 0.91), gefolgt vom APACHE II (ROC AUC 0.81), MODS (ROC AUC 0.70), SOFA (ROC AUC 0.70), RTS (ROC AUC 0.66), NISS (ROC AUC 0.62), EAC (ROC AUC 0.60). Die ROC AUC des ISS war nicht signifikant (p=0,05).

Zusammenfassend zeigte der RISC II-Score die beste Vorhersagequalität im Hinblick auf die Mortalität. Vergleichsweise einfachere Scores mit Fokus auf dem Verletzungsmuster (ISS, NISS) oder physiologischen Parametern (RTS, EAC), die gleichzeitig auch einfacher und frühzeitiger anwendbar sind, erbrachten eine deutlich ungenauere Mortalitätsprognose. Etablierte Scores aus dem Bereich der Intensivmedizin (APACHE II, SOFA, MODS) erscheinen hilfreich bei der intensivmedizinischen Prognoseabschätzung polytraumatisierter Patienten. Somit können die einfachen Scores frühzeitig einen ersten Anhalt zur Prognose zu ermöglichen, exaktere Prognosen erscheinen jedoch erst im weiteren Verlauf mit additiven Parametern möglich.