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Schwerverletztenversorgung im Alter – kleines Trauma, große bedrohliche Folgen
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Veröffentlicht: | 6. November 2018 |
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Fragestellung: Aufgrund der demografischen Entwicklung nimmt der Anteil der älteren Patienten unter den Schwerstverletzten mit einem ISS>24 eine immer größer werdende Bedeutung ein. Ihre Versorgung ist für den Orthopäden und Unfallchirurgen nicht nur wegen des gesteigerten Mortalitätsrisikos besonders herausfordernd. Neben der oft komplexen Medikation ist vor allem die stetig wachsende Mobilität bis ins hohe Alter hinein ein zusätzliches Risiko. Zudem unterscheidet sich bei Patienten > 59 Jahren die biomechanische und physiologische Wirkung des Traumas grundsätzlich im Vergleich zu jüngeren Patienten <60 Jahren. Ziel der vorliegenden Studie ist es zu untersuchen, welche Unterschiede es im Traumamechanismus, der Behandlung und Therapie dieses Patientenkollektivs im Vergleich zu jüngeren Patienten gibt.
Methodik: Wir führten eine retrospektive Auswertung aus dem eigenen prospektiv erfassten Datensatz des Traumaregisters DGU® der Jahre 2010-2015 durch. Eingeschlossen wurden Polytraumapatienten mit einem ISS>24, einem Alter über 16 Jahren sowie das Vorliegen eines niedrig energetischen Traumas. Als niedrigenergetisch wurde ein Sturz unter 3 m definiert. Ausgeschlossen wurden alle Patienten, die im Schockraum verstorben sind. Ein schlechter Outcome wurde als ein Glasgow Outcame Scale (GOS) von 1-3 Punkten definiert. Erfasst wurden deskriptive Daten nebst Verletzungsschwere ISS, AIS, Krankenhausaufenthalt, Outcome, ITS- und Beatmungsdauer sowie die Entlassung in Betreuungseinrichtungen und in die Häuslichkeit. Wir führten eine Subgruppenanalyse mit Patienten >59 vs. <60 Jahren. Statistische Auswertung erfolgte über univariate Analyse und die Signifikanztestung bei Subgruppenanalysen über t-test.
Ergebnisse und Schlussfolgerung: Aus etwa 1200 Patienten unserer Datenbank konnten insgesamt 69 (6%) Patienten mit einem ISS größergleich 25 sowie niedrig energetischem Trauma eingeschlossen werden, wobei hiervon 55 über 60 Jahre und 14 <60 Jahren waren. In der Gruppe der über 60-Jährigen betrug der mittlere ISS 28,27±7,5 (Range 25-75) und 29,43 ± 5 (Range 25-38) Punkte bei den Jüngeren. Ältere Patienten hatten eine 5mal höhere Inzidenz schwere Verletzungen trotz geringem Trauma als Jüngere zu erleiden und hatten ein signifikant schlechteres Outcome mit 54,5% zu 36,4% (p=0,05). Lediglich 9 Patienten größer 60 Jahren wurden nach Hause entlassen, 14 (25,5%) ältere Patienten sind verstorben.
Patienten im Alter erleiden 5-mal mehr Polytraumata mit einem ISS größer 25 trotz geringer kinetischer Energie als Jüngere. Für den behandelnden Kollegen ist die Kenntnis über die Wirkung der altersphysiologischen Veränderungen und die damit einhergehende Vulnerabilität des muskuloskelettalen Systems entscheidend. Nur so kann ein umfassendes Behandlungskonzept erstellt und Ressourcen zielgerichtet eingesetzt werden. Das Polytrauma ist und bleibt auch im Alter für den behandelnden Orthopäden und Unfallchirurgen trotz etablierter Netzwerke und interdisziplinärer Zusammenarbeit eine große Herausforderung.