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Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2018)

23.10. - 26.10.2018, Berlin

Analyse der Bewegung der Halswirbelsäule und der Kompression des Duralsacks in der instabilen oberen Halswirbelsäule während der Anlage einer Zervikalstütze

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Michael Kreinest - BG Klinik Ludwigshafen, Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie, Zentrum für Wirbelsäulenchirurgie, Ludwigshafen, Germany
  • Shiyao Liao - BG Klinik Ludwigshafen, Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie, Zentrum für Wirbelsäulenchirurgie, Ludwigshafen, Germany
  • Niko R. E. Schneider - Universitätsklinikum Heidelberg, Klinikk für Anästhesiologie, Heidelberg, Germany
  • Erik Popp - Universitätsklinikum Heidelberg, Klinikk für Anästhesiologie, Heidelberg, Germany
  • Paul A. Grützner - BG Klinik Ludwigshafen, Ludwigshafen, Germany
  • Stefan Matschke - Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie, BG-Unfallklinik Ludwigshafen, Unfallchirurgische Klinik an der Universität Heidelberg, Ludwigshafen, Germany

Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2018). Berlin, 23.-26.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. DocST12-35

doi: 10.3205/18dkou016, urn:nbn:de:0183-18dkou0161

Veröffentlicht: 6. November 2018

© 2018 Kreinest et al.
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Gliederung

Text

Fragestellung: Die traumatische Instabilität der oberen Halswirbelsäule (HWS) durch die atlanto-occipitale Dislokation (AOD) oder durch die atlanto-axiale Instabilität (AAI) geht häufig mit einer begleitenden Tetraplegie einher und hat eine hohe Mortalität. Ob die Standardmaßnahme der Anlage einer Zervikalstütze bei einem Patienten mit instabiler oberer HWS selbst Bewegung in der HWS verursacht oder gar das Rückenmark sekundär schädigen kann ist unklar.

Das Ziel der vorliegenden Studie ist (i) die Analyse der Kompression des Duralsacks und (ii) die Analyse der Bewegung in der HWS während der Anlage einer Zervikalstütze beim Patienten mit einer instabilen oberen HWS.

Methodik: In jeweils 6 frischen Humanpräparaten wurde eine ligamentäre AOD und eine kombinierte ligamentäre AOD / AAI verursacht. Aufgrund der durchgeführten Myelographie (Optiray, 300 mg/ml, Mallinckrodt, Deutschland) und der Durchleuchtung (Veradius C-Arm, Philips, Niederlande) während der Anlage der Zervikalstütze (Stifneck Select, Laerdal Medical, Puchheim, Deutschland) konnte die Kompression des Duralsacks dargestellt werden. Zusätzlich erfolgte die Analyse der segmentalen Bewegung in der oberen HWS und der Distraktion aus den Durchleuchtungsdaten. Die 3D-Bewegung der gesamten HWS wurde durch Bewegungsanalyse (Xsens Technologies, Enschede, Niederlande) ausgewertet. Die Fallzahlplanung und die statistische Auswertung erfolgten mit der SPSS (IBM, USA).

Ergebnisse und Schlussfolgerung: Die mittlere Kompression des Duralsacks nimmt bei vorliegender AOD und bei kombinierter AOD / AAI im Vergleich zu Messungen an der stabilen HWS signifikant um 1,1 mm (Spannweite: 0,7-1,0 mm) bzw. um 1,2 mm (0,6-1,6 mm) zu. Bei vorliegender AOD zeigt sich zudem eine signifikante (p = 0,028) Zunahme der segmentalen atlanto-occipitalen Bewegung von 4,9° (3,8-7,0°). Bei stabiler HWS zeigt sich im atlanto-axialen Segment eine Distraktion von 0,91 mm (0,64-1,75 mm) während der Anlage einer Zervikalstütze. Hier zeigten sich keine Änderungen bei vorliegender Instabilität. Die Bewegung der gesamten HWS während der Anlage einer Zervikalstütze ist immens: eine Flexion bis zu 22,9° konnte hier beobachtet werden.

Die Biomechanik von frischen Humanpräparaten und lebenden Menschen scheint vergleichbar zu sein [1]. Bei einer Verengung des knöchernen Spinalkanals um 2,0-3,4 mm auf Höhe des 2. Halswirbelkörpers kann es zu neurologischen Defiziten bis hin zur Tetraplegie kommen [2]. Da in der vorliegenden Studie nicht der knöcherne Spinalkanal sondern die tatsächliche Kompression des Duralsacks bestimmt wurde (bis zu 1,6 mm), kann eine Schädigung des Rückenmarks durch die Anlage einer Zervikalstütze bei instabiler oberer HWS nicht ausgeschlossen werden.

Zusammenfassend zeigt die vorliegende Studie eine immense Bewegung der HWS während der Anlage einer Zervikalstütze auf, welche sekundäre neurologische Defizite verursachen kann.


Literatur

1.
Hindman BJ, From RP, Fontes RB, Traynelis VC, Todd MM, Zimmerman MB, Puttlitz CM, Santoni BG. Intubation Biomechanics: Laryngoscope Force and Cervical Spine Motion during Intubation in Cadavers-Cadavers versus Patients, the Effect of Repeated Intubations, and the Effect of Type II Odontoid Fracture on C1-C2 Motion. Anesthesiology. 2015 Nov;123(5):1042-58. DOI: 10.1097/ALN.0000000000000830 Externer Link
2.
Eismont FJ, Clifford S, Goldberg M, Green B. Cervical sagittal spinal canal size in spine injury. Spine (Phila Pa 1976). 1984 Oct;9(7):663-6.