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Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2017)

24.10. - 27.10.2017, Berlin

Distal Tibial Nail – Entwicklung, biomechanische Testung und präklinische Evaluation eines neuen retrograden intramedullären Implantatsystems zur Versorgung distaler Tibiafrakturen

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Sebastian Kuhn - Universitätsmedizin Mainz, Zentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie, Mainz, Germany
  • Pol M. Rommens - Universitätsmedizin Mainz, Zentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie, Mainz, Germany

Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2017). Berlin, 24.-27.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocWI47-298

doi: 10.3205/17dkou433, urn:nbn:de:0183-17dkou4333

Veröffentlicht: 23. Oktober 2017

© 2017 Kuhn et al.
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Gliederung

Text

Fragestellung: Der Distal Tibial Nail (DTN) ist ein experimentelles intramedulläres Implantat, welches in mehreren Prototypen-Stufen entwickelt und erprobt wurde. Diese umfassten multiple biomechanische Studien gegen Vergleichsimplnatate (vs. winkelstabile Plattenosteosynthese und antigrade Marknagelung) und präklinischen Leichenimplantationen. Die Fragestellung umfasste zum einen ob der DTN eine ausreichende Stabilität für die Versorgung distaler Tibiafrakturen besitzt und ob das chirurgische Verfahren für alle extraartikulären und einfachen intraartikulären distalen Tibiafrakturen geeignet ist.

Methodik: Die vergleichende biomechanische Testung erfolgte zunächst die nicht-destruktive Testung für niedrige (350 N) und hohe (600 N) extraaxiale Last sowie bidirektionale Torsion (8 Nm). Abschließend wurde zusätzlich ein extraaxialer Versagenstest (1200 N) durchgeführt.

Die präklinischen Evaluation erfolgte an unfixierten Leichenpräparaten mit AO 43 A1-3 und C1,2-Frakturen unter OP Bedingungen.

Ergebnisse und Schlussfolgerung: Biomechanische Testungen belegen eine gute Stabilität für axiale und eine statistisch signifikant überlegene Stabilität für Torsionsbelastungen.

Die präklinische Evaluation belegte, dass die OP als minivasive Methode, strahlungsarm und komplikationsarm durchgeführt werden kann.

Der Nagel gewährleistet eine stabile Osteosynthese für Frakturen bis zu 7 cm proximal des tibiotalaren Gelenkes. Mögliche Indikationen für den DTN sind daher weit distal gelegene Tibiaschaftfrakturen (AO 42-A-C), distale extraartikuläre metaphysäre Tibiafrakturen (AO 43-A1-3) und, in Kombination mit einer zusätzlichen Zugschraubenosteosynthese, distale Tibiafrakturen mit einfacher intraartikulärer Beteiligung (AO 43-C1/C2).

Im Vergleich zu antegraden Marknägeln bestehen konzeptionelle Vorteile, da Kniegelenk und Patellarsehne unberührt bleiben. Der kurze retrograde Tibianagel lässt den größten Abschnitt des Markkanals unbeteiligt, somit werden Fettembolien voraussichtlich nicht auftreten. Durch das Zielgerät des DTN können alle Verriegelungsoptionen bedient werden. Dies könnte, basierend auf den experimentellen Untersuchungen, die Operationszeit verkürzen und die Strahlendosis verringern.

Im Vergleich zur winkelstabilen Plattenosteosynthese weist die retrograde Marknagelung ebenfalls Vorteile auf. Nägel sind "load sharing"-Implantate, während Platten "load bearing"-Implantate sind. Kritische Aspekte der retrograden Nagelung der Tibia sind das Risiko einer iatrogen Fraktur des Malleolus medialis und ein primäres Malalignement. Des weiteren ist der DTN ein Spezialimplantat, welches im Gegensatz zu universellen tibialen Marknagelungssystemen nur ein klar limitiertes Indikationsspektum erfüllen kann.

Zusammenfassend legen die Ergebnisse dieser Studien nahe, dass die retrograde Marknagelung mit dem DTN ein vielversprechendes und neuartiges Konzept für die Behandlung distaler Tibiafrakturen darstellt. Eine Zulassung als Medizinprodukt ist aktuell erfolgt und eine erstmalige klinische Anwendung im Februar 2017 geplant.