Artikel
Charakteristika und Outcome sekundärverlegter polytraumatisierter Patienten – Profit durch Behandlung im überregionalen Traumazentrum
Suche in Medline nach
Autoren
Veröffentlicht: | 23. Oktober 2017 |
---|
Gliederung
Text
Fragestellung: Die Behandlung polytraumatisierter Patienten erfolgt in Deutschland in Abhängigkeit von Verletzungsmuster und -schwere zunehmend standardisierter in Kliniken unterschiedlicher Versorgungsstufen. Schwerer verletzte Patienten profitieren von der Behandlung in einem hochspezialisierten überregionalen Traumazentrum (ÜTZ) und sollten bereits primär ebendort behandelt werden. Trotzdem wird ein relevanter Anteil von Patienten erst sekundär in ein ÜTZ verlegt. Es soll nun analysiert werden, ob sich diese Patienten in ihren Charakteristika von primär zuverlegten Patienten unterscheiden und ob sie dadurch eventuell ein schlechteres Outcome haben.
Methodik: Es wurden hierzu 999 polytraumatisierte Patienten [Injury Severity Score (ISS) >/= 16], die zwischen 01/2005 und 12/2014 in einem überregionalen Traumazentrum behandelt wurden, retrospektiv analysiert. Neben demographischen und klinischen Basisdaten wurden der ISS als Maß der Verletzungsschwere sowie der APACHE II als Maß der Erkrankungsschwere bei Aufnahme bestimmt. Primäre Outcomeparameter waren Beatmungsdauer, intensivstationäre und gesamtstationäre Behandlungsdauer, Transfusionsbedarf sowie Mortalität und Auftreten posttraumatischer Komplikationen [Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS), ventilatorassoziierte Pneumonie (VAP), Sepsis und Multiorganversagen (MODS)]. Die statistische Analyse erfolgte mit SPSS 23 (IBM, Armonk, NY, USA). Nach Testung auf Normalverteilung (Shapiro-Wilk-Test) wurden die Daten mittels Mann-Whitney-, Kruskal-Wallis-, Fisher's exaktem sowie Pearson's Chi2-Test ausgewertet.
Ergebnisse und Schlussfolgerung: Es wurden 999 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 43,4 ± 19,7 Jahren und einem durchschnittlichen ISS von 26,8 ± 11,1 analysiert. 136 Patienten (13,6 Prozent) wurden durchschnittlich 34,2 ± 86,9 h nach Trauma sekundär zuverlegt. Dabei wurden vor allem Patienten aus überregionalen Traumazentren frühsekundär verlegt (10,6 ± 8,8 h), Patienten aus regionalen Traumazentren (RTZ) erst nach durchschnittlich 23,4 ± 40,8 h und aus lokalen Traumazentren (LTZ) sogar erst nach 56,8 ± 128,7 h (p = 0,02). Während die zuverlegten Patienten statistisch nicht schwerer verletzt waren (ISS 28,4 ± 12,0 vs. 27,1 ± 11,3; p = 0,1), waren sie aber signifikant schwerer erkrankt (APACHE II 19,6 ± 8,0 vs. 16,4 ± 4,8; p < 0,001) mit konsekutiv deutlich erhöhter erwarteter Mortalität (28,7 ± 20,7 vs. 23,5 ± 19,4 %; p = 0,003). Trotz erhöhter Erkrankungsschwere zeigte sich kein Unterschied in der Beatmungs- sowie intensiv- und gesamtstationären Behandlungsdauer. Auch das Auftreten posttraumatischer Komplikationen sowie die Letalität waren nicht erhöht.
Sekundärverlegte polytraumatisierte Patienten scheinen von der Behandlung in einem hochspezialisierten überregionalen Traumazentrum zu profitieren, da trotz niedrigerer Überlebenswahrscheinlichkeit bei Aufnahme im ÜTZ das Outcome mit dem primär aufgenommener Patienten vergleichbar ist.