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Das bilaterale Thoraxtrauma als Risikofaktor beim Schwerverletzten
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Veröffentlicht: | 23. Oktober 2017 |
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Fragestellung: Das Thoraxtrauma gehört neben dem schweren Schädel-Hirn-Trauma zu den führenden Verletzungen beim Polytrauma. Studien betonen den Einfluss des Thoraxtraumas auf den posttraumatischen Verlauf und das Auftreten beatmungsassoziierter Komplikationen. Es bleibt allerdings unklar, ob die vermeintlich schwerwiegendere bilaterale Thoraxverletzung im Vergleich zur unilateralen tatsächlich ein prognostisch schlechteres Outcome zeigt.
Methodik: Es erfolgte die retrospektive Analyse 702 polytraumatisierter Patienten (ISS >15) mit radiologisch gesicherten Rippenfrakturen, Lungenkontusion und/oder Hämato-/Pneumothorax, die zwischen 01/2005 und 12/2014 an einem überregionalen Traumazentrum behandelt wurden. Primäre Outcomeparameter waren Beatmungsdauer, intensivstationäre sowie stationäre Behandlungsdauer, Letalität und posttraumatische Komplikationen (Acute Respiratory Distress Syndrome, Ventilator-assoziierte Pneumonie, Sepsis, Multiorganversagen). Parametrische Daten wurden mittels t-Test, nicht-parametrische Daten mittels Kruskal-Wallis- sowie Mann-Whitney-Test ausgewertet. Die Analyse des Einflusses mono- vs. bilateraler Thoraxtraumata auf das Outcome erfolgte jeweils nach Propensity Score Matching (PSM) sowie mittels schrittweiser bivariater Regressionsanalyse.
Ergebnisse und Schlussfolgerung: Es wurden 702 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 43,0 ± 19,8 Jahren und einem durchschnittlichen ISS von 29,6 ± 11,1 analysiert. 325 Patienten (46,3 %) erlitten ein unilaterales und 377 (53,7 %) ein bilaterales Thoraxtrauma. 300 Patienten (42,7 %) wiesen einseitige und 218 (31,1 %) beidseitige Rippenfrakturen auf. 172 Patienten (24,5 %) erlitten einseitige und 241 (34,3 %) beidseitige Lungenkontusionen. Der mediane Abbreviated Injury Scale (AIS) Thorax betrug 3 (IQR 1). Patienten mit bilateralem Thoraxtrauma waren signifikant schwerer verletzt (ISS 31,3 ± 11,3 vs. 27,6 ± 10,5; p<0,001) und wiesen bei Aufnahme schlechtere Schockparameter (pH, Lactat, Base Excess, Schock Index) sowie einen erhöhten Transfusionsbedarf auf (p<0,05). Patienten mit bilateralem Thoraxtrauma wurden länger maschinell beatmet (301,0 ± 340,7 h vs. 227,6 ± 295,5 h; p=0,002) und länger intensivstationär behandelt (16,1 ± 15,1 vs. 13,1 ± 13,1 d; p=0,02). Sie entwickelten tendenziell häufiger ein Multiorganversagen [34 (9,0 %) vs. 17 (5,2 %), p=0,06] und verstarben signifikant häufiger [54 (14,3 %) vs. 29 (8,9 %); p=0,03]. Nach Matching ließen sich diese Effekte allerdings nicht auf das bilaterale Thoraxtrauma zurückführen. Demgegenüber konnte die bilaterale Lungenkontusion als Risikofaktor für das Auftreten eines ARDS bestätigt werden (p=0,03).
Obwohl Patienten mit bilateralem Thoraxtrauma einen komplizierteren klinischen Verlauf sowie eine erhöhte Letalität aufweisen, ist dies am ehesten der höheren Gesamtverletzungsschwere, nicht aber der schwerwiegenderen Thoraxverletzung selbst zuzuschreiben. Dagegen stellen bilaterale Lungenkontusionen einen unabhängigen Risikofaktor für das Auftreten eines posttraumatischen ARDS dar.