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Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2015)

20.10. - 23.10.2015, Berlin

Luftrettung in Deutschland: Bei welchem Traumapatienten hilft der Hubschrauber besonders?

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Hagen Andruszkow - Universitätsklinik und Poliklinik der RWTH Aachen, Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Aachen, Germany
  • Uwe Schweigkofler - Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Frankfurt am Main, Frankfurt, Germany
  • Rolf Lefering - Institut für Forschung in der Operativen Medizin (IFOM), Cologne, Germany
  • Magnus Frey - Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Aachen, Germany
  • Roman Pfeifer - Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Aachen, Germany
  • Klemens Horst - Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Aachen, Germany
  • Hans-Christoph Pape - Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Aachen, Germany
  • Frank Hildebrand - Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Aachen, Germany

Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2015). Berlin, 20.-23.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocWI29-721

doi: 10.3205/15dkou161, urn:nbn:de:0183-15dkou1618

Veröffentlicht: 5. Oktober 2015

© 2015 Andruszkow et al.
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Gliederung

Text

Fragestellung: Die Luftrettung stellt einen etablierten Bestandteil in der präklinischen Versorgung traumatisierter Patienten in Deutschland dar. Verbesserte Rettungszeiten sowie ein erhöhter Einsatzradius werden als spezifische Vorteile im Vergleich zu bodengebundenen Rettungsmitteln diskutiert. In der Literatur werden die widersprüchlichen Erkenntnisse hinsichtlich der profitierenden Patientengruppen weiterhin diskutiert [1].

Methodik: Wir analysierten daher anhand des Trauma Registers der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie traumatisierte Patienten (ISS ≥ 9 Punkte), die primär zwischen 2002 und 2012 mittels Hubschrauber (HEMS) oder arztbesetzten, bodengebundenen Rettungsmitteln (GEMS) versorgt wurden. Weitere Einschlusskriterien waren die Versorgung in einem Level I oder II Traumazentrum sowie die Vollständigkeit der Daten bezogen auf die Transportplattform. Eine multivariate Regressionsanalyse diente zur Eruierung des potentiellen Überlebensvorteils durch die Rettungsmittel.

Ergebnisse und Schlussfolgerung: 68,8% (35.974) der eingeschlossenen Patienten wurden durch GEMS und 31,2% (16.307) durch HEMS versorgt. HEMS Patienten waren dabei schwerer verletzt als GEMS Patienten (ISS HEMS 24,8±13,5 vs. GEMS 21,7±18,0) und wiesen häufiger einen präklinischen Schock auf (RRsys <90mmHg: HEMS 18,3% vs. GEMS 14,8%). Dies resultierte mutmaßlich in einer erhöhten Inzidenz des Multiorganversagens (MOF HEMS 30,1% vs. GEMS 23,1%) und der Sepsis (HEMS 8,3% vs. GEMS 6,1%). Dennoch ergab die Regressionsanalyse für das Gesamtkollektiv einen signifikanten Überlebensvorteil durch die Luftrettung (OR 0,81, CI-95 0,75-0,87, p<0,001, Nagelkerke's R Quadrat 0,526).

Hinsichtlich dieses Überlebensvorteils durch die Luftrettung zeigte sich, dass Patienten im Alter zwischen 55-64 Jahren am stärksten profitierten (OR 0,62, CI-95 0,50-0,77). Bezogen auf den Traumamechanismus beeinflusste HEMS die sog. "low falls" am meisten (OR 0,68, CI-95 0,55-0,84). Übereinstimmend erbrachte HEMS gemessen an der Gesamtverletzungsschwere auch bei geringer Verletzungsschwere (ISS 9-15) den höchsten Überlebensvorteil (OR 0,66, CI-95 0,49-0,88).

Das Outcome bei Verkehrsunfällen (Auto OR 0,93, CI-95 0,80-1,1; Motorrad OR 0,95, CI-95 0,74-1,20; Fahrrad OR 1,08, CI-95 0,83-1,42) und bei Patienten mit Schädelhirntrauma (SHT OR 0,83, CI-95 0,76-0,90; kein SHT OR 0,78, CI-95 0,68-0,90) wurde durch die Luftrettung nicht entscheidend beeinflusst.

Zusammenfassend scheinen polytraumatisierte Patienten allgemein durch die Luftrettung zu profitieren. Insbesondere Traumapatienten mittleren und höheren Alters, Niedrigenergietraumata sowie Patienten mit vergleichsweise geringerer Gesamtverletzungsschwere ziehen den größten Vorteil aus der Versorgung durch Rettungshubschrauber. Weitergehende Studien müssen nun evaluieren, ob diese Überlebensvorteile durch explizite Unterschiede der angewendeten, präklinischen Maßnahmen verursacht werden.


Literatur

1.
Galvagno SM, et al. Cochrane Database Syst Rev. 2013. DOI:10.1002/14651858 Externer Link