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Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2015)

20.10. - 23.10.2015, Berlin

Der Anstieg der Luxationsarbeit bei Zunahme des Gelenkdurchmessers als Ursache der geringeren Luxationsneigung von Hüftendoprothesen mit großen Köpfen

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Torsten Prietzel - Universitätsklinikum Leipzig, Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Plast. Chirurgie, Leipzig, Germany
  • Michael Schmidt - Universitätsklinikum Leipzig, Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Plast. Chirurgie, Leipzig, Germany
  • Stefan Schleifenbaum - Universitätsklinikum Leipzig, Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Plast. Chirurgie, Leipzig, Germany
  • Robert Möbius - Universität Leipzig, Institut für Anatomie, Leipzig, Germany
  • Sven Panzert - Universitätsklinikum Leipzig, Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Plast. Chirurgie, Leipzig, Germany
  • Henry Philipp - Universitätsklinikum Leipzig, Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Plast. Chirurgie, Leipzig, Germany
  • Niels Hammer - Universität Leipzig, Institut für Anatomie, Leipzig, Germany
  • Ronny Grunert - Fraunhofer-Institut, für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU, Medizintechnik, Dresden, Germany

Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2015). Berlin, 20.-23.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocWI20-1427

doi: 10.3205/15dkou085, urn:nbn:de:0183-15dkou0850

Veröffentlicht: 5. Oktober 2015

© 2015 Prietzel et al.
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Gliederung

Text

Fragestellung: Aus der Verwendung größerer Köpfe resultiert eine Abnahme der Luxationsrate in der Hüftendoprothetik. Bislang wurde diese Beobachtung vorwiegend auf die größere Range of Motion (ROM) und die längere Dislokationsstrecke bis zur Luxation (Jump-Distance) zurückgeführt. Eigene experimentelle Untersuchungen ergaben bei Steigerung des Gelenkdurchmessers eine erhebliche Zunahme der Luxationsstabilität infolge der Wirkung des atmosphärischen Druckes, welche durch die zur Luxation erforderliche physikalische Arbeit quantifiziert werden kann. In früheren Veröffentlichungen wurde dieser Parameter als Luxationsarbeit definiert und auf Basis der gemessenen Kräfte vereinfacht berechnet. Das Ziel der vorliegenden Studie bestand darin, die Luxationsarbeit von Hüftgelenkmodellen mit 22 - 44 mm Durchmesser basierend auf einer optimierten Messtechnik durch eine numerische Integration zu ermitteln um deren Bedeutung in Relation zu ROM und Jump-Distance zu diskutieren.

Methodik: Untersucht wurden auf Endoprothesenkomponenten basierende Hüftgelenkmodelle von 22 (a), 28 (b), 32 (c), 36 (d), 40 (e) und 44 mm (f) Durchmesser. Diese wurden mit einer ausreichend weit bemessenen Kapsel hermetisch verschlossen, entlüftet und mit einer definierten Menge Wasser befüllt. In einem Versuchstand wurden die Modelle einer anwachsenden uniaxialen Zugkraft ausgesetzt, bis die Luxation eintrat. Mit Hilfe von Sensoren erfolgten kontinuierliche Messungen der wirkenden Kraft und der resultierenden Dislokation bei einer Abtastrate von 50 Hz. Mit einem LabVIEW-basiertem Programm zur Datenerfassung wurden die Messwerte aufgezeichnet und die Luxationsarbeit durch numerische Integration bestimmt. Die Versuche wurden für jedes Gelenkmodell wiederholt (n=20), gemittelt und in Relation zum 28-mm-Gelenk gesetzt.

Ergebnisse und Schlussfolgerung: Die zur Luxation der verschiedenen Gelenkmodelle notwendige Luxationsarbeit betrug 0,84 ± 0,17 Nm (a), 1,45 ± 0,08 Nm (b), 2,05 ± 0,16 Nm (c), 2,52 ±0,43 Nm (d), 3,01 ± 0,10 Nm (e) und 4,11 ± 0,42 Nm (f). In Relation zum 28-mm-Gelenk (b) sind dies 57,9 % (a), 141,4 % (c), 173,8 % (d), 207,6 % (e), 283,5 % (f).

Die nachgewiesene erhebliche Zunahme der Luxationsarbeit bei größerem Gelenkdurchmesser übertrifft die im Rahmen früherer Untersuchungen ermittelte Steigerung der ROM um ein Vielfaches. Die in der Literatur berichtete Abnahme der Luxationsrate von Hüftendoprothesen bei Verwendung von 36-mm-Köpfen ist damit plausibel zu erklären, während das Verhalten der ROM dazu im Widerspruch steht.

Die durchgeführte Untersuchung spricht dafür, dass die geringere Luxationsneigung von Hüftendoprothesen mit größerem Durchmesser in erster Linie auf die permanente hüftstabilisierende Wirkung des atmosphärischen Druckes und nicht auf die ROM zurückzuführen ist. Daraus abgeleitet wäre zukünftig die Verwendung größerer, anatomisch dimensionierter Gelenkkörper anzustreben. Dies setzt jedoch die Entwicklung neuer Materialen mit höherer Bruchfestigkeit und Abriebresistenz voraus.