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Wachstumsfugenlösungen der unteren Extremität: Epidemiologie und Behandlungsrealität
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Veröffentlicht: | 18. Oktober 2011 |
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Fragestellung: Traumatische Wachstumsfugenlösungen der unteren Extremitäten sind ein seltenes, aber regelmäßig auftretendes Verletzungsbild, zu dem in der Literatur zum Teil extrem unterschiedliche Auffassungen vertreten werden. Die Empfehlungen zu tolerierbaren Achsabweichungen bzw. der Notwendigkeit einer Frakturreposition und/oder Osteosynthese differieren erheblich. Evidenzbasierte Daten für die Risikoeinschätzung zur Entwicklung von posttraumatischen Wachstumsstörungen fehlen weitgehend. Es finden sich Angaben zwischen 5 und 50% mit einer auffälligen Differenz zwischen Lehrbüchern (niedrige Risikoeinschätzung) und aktuellen Studien (hohe Risikoeinschätzung).
Methodik: In einem Zeitraum von 36 Monaten wurden im Rahmen einer Multizentrischen Studie alle Patienten mit traumatischen Wachstumsfugenlösungen der unteren Extremitäten durch ein online Dokumentationssystem erfasst. Verletzungen des proximalen Femur wurden ausgenommen. Das Behandlungskonzept wurde den teilnehmenden Kliniken frei gestellt. Neben Alter, Geschlecht und Unfallhergang wurden Frakturtyp sowie Dislokationsgrad und -richtung registriert. Das primär gewählte therapeutische Vorgehen, der Therapieerfolg und Komplikationen wurden klinisch und radiologisch erfasst. Die statistische Auswertung erfolgte in einem renommierten Institut für medizinische Statistik.
Ergebnisse und Schlussfolgerungen: 201 Frakturen wurden in die Studie aufgenommen, davon 66% Jungen und 34% Mädchen, das mittlere Alter betrug 12,6 Jahre. 40% der Verletzungen kamen beim Sport zu Stande, 15% waren Verkehrsunfälle, 14% Schulunfälle. 84% der Frakturen betrafen die distale Tibia, 9% das distale Femur, 7% die proximale Tibia. 2% waren offene Frakturen. Die detaillierte Auswertung der größten Gruppe, der distalen Tibiafrakturen ergab 84% Salter II Verletzungen. 28% dieser Frakturen waren undisloziert. Die häufigsten Achsabweichungen waren die Antekurvation (31%) und der Valgus (25%). Die Indikation zur Reposition ergab sich bei einer mittleren Antekurvation von 11,4 Grad, einer mittleren Rekurvation von 9,3 Grad, einer mittleren Varusabweichung von 15,5 Grad bzw. einer mittleren Valgusabweichung von 18,8 Grad.
Die epidemiologischen Ergebnisse der Studie decken sich mit den bisherigen Angaben in der Literatur in Beziehung auf Alter und Geschlecht der verletzten Kinder, auf Verletzungesmechanismus und Verteilung auf die unterscheidlichen Lokalisationen. Erstmals konnten exakte Daten erhoben werden, welche primär bestehenden, verletzungsbedingten Achsabweichungen in der täglichen Therapierealität zur Indikation zur Reposition und ggf. Osteosynthese herangezogen werden. Im zweiten Teil der Studie werden die Patienten über 36 Monate insbesondere im Hinblick auf die Entstehung posttraumatischer Wachstumsstörungen nachuntersucht werden.