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Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie, 75. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie, 97. Tagung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie, 52. Tagung des Berufsverbandes der Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie

25. - 28.10.2011, Berlin

Körpertemperatur bei Schockraumaufnahme – Bedeutsames Vitalzeichen aber abhängiger Risikofaktor für die Sterblichkeit des Schwerverletzten

Meeting Abstract

  • H. Trentzsch - Chirurgische Klinik und Poliklinik Campus Großhadern, Unfallchirurgie, Klinikum der Universität München, München, Germany
  • S.M. Huber-Wagner - Klinikum der Universität München, Chirurgische Klinik Innenstadt, München, Germany
  • S. Piltz - Chirurgische Klinik und Poliklinik Campus Großhadern, Unfallchirurgie, Klinikum der Universität München, München, Germany
  • F. Hildebrand - Medizinische Hochschule Hannover, Unfallchirurgische Klinik, Hannover, Germany
  • W. Mutschler - Ludwig-Maximilians-Universität München, Chirurgische Klinik und Poliklinik - Innenstadt, München, Germany
  • R. Lefering - Klinikum der Privaten Universität Witten/Herdecke, Institut für Forschung in der operativen Medizin (IFOM), Köln, Germany
  • Traumaregister der DGU

Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie. 75. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie, 97. Tagung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie, 52. Tagung des Berufsverbandes der Fachärzte für Orthopädie. Berlin, 25.-28.10.2011. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2011. DocWI46-1175

doi: 10.3205/11dkou272, urn:nbn:de:0183-11dkou2722

Veröffentlicht: 18. Oktober 2011

© 2011 Trentzsch et al.
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Gliederung

Text

Fragestellung: Hypothermie (HT) bei Schockraumaufnahme, i.e. Körpertemperatur ≤35°C, gilt als Risikofaktor nach schwerem Unfalltrauma, was Sterblichkeit, Liegezeit & Komplikationsrate erhöht. Aus jüngerer Zeit liegen 3 Studien, basierend auf großen US-Datenbanken vor, die HT als unabhängigen Risikofaktor für Letalität identifizieren. Im DGU-Traumaregister (TR-DGU) wird die Überlebenswahrscheinlichkeit mit dem RISC-Score berechnet. Die Körpertemperatur bei Aufnahme (T@B) wurde aber erst nach der Validierung des Scores ins TR-DGU aufgenommen. Nachträglich zeigte sich entgegen der bekannten Literatur, dass T@B als Risikofaktor aus dem RISC-Modell heraus fällt. Wir stellten daher die Hypothese auf, dass T@B im RISC durch Marker für Hämorrhagie o. Koagulopathie (PTT, Base Excess [BE], Blutungszeichen: >9 EKs, RRsys < 90 mm Hg, Hb < 9 mg/dl, Traumaschwere nach NISS, präklinische Infusionsmenge, Abdominalverletzungen AIS>3) verdrängt wird, während sich die Ergebnisse der Studien von Shafi et al (2005), Wang et al (2005) & Martin et al (2005) auf der Basis des identischen TR-DGU Datensatzes reproduzieren lassen müssten.

Methodik: Zur Prüfung der Hypothese wurden aus dem TR-DGU 2002-2008 alle primärversorgten Patienten mit ISS ≥16, komplettem Datensatz für die RISC-Prognose und T@B eingeschlossen: n=5197. Die Rate für HT lag bei 18%. Mit diesem Datensatz wurde in multivariater Regressionsanalyse die Odds Ratio (OR) mit 95% Konfidenzintervall (95CI) für HT als unabhängiger Prädiktor für Tod entsprechend der Modelle o.g. Studien berechnet.

Ergebnisse und Schlussfolgerungen: Martin (1,43, 95CI 1,947-1,051, p<0.001*); Wang (1,77, 95CI 2,213-1,420, p<0.001*); Shafi (1,21; 95CI 1,596-0,923; p=0,165, ns); RISC (1,12, 95CI 1,405-0,892; p=0,331, ns). Die Modelle von Martin & Wang enthalten nur je 3 Marker für Hämorrhagie/Koagulopathie, Shafis 4 und der RISC sogar 5 dieser Marker. Entfernt man aus dem RISC-Model stufenweise die Marker Gerinnung [PTT], Azidose [BE] und Blutungszeichen [Hb<9 mg/dL, EKs >9, RRsys<90 mmHg]) so zeigt sich ein unabhängiger Effekt von HT erst, nachdem alle dieser Marker entfernt wurden (OR 1,57, 95CI 1,125-2,203, p=0.008*).

Unsere Daten zeigen, dass HT als unabhängiger Risikofaktor aus dem Regressionsmodell verdrängt wird, wenn Zeichen für Hämorrhagie u. Koagulopathie ausreichend abgebildet sind (RISC: 5 Marker). Das Ergebnis für die Modelle mit nur 3 Hämorrhagie/Koagulopathie-Markern wird reproduziert, das mit 4 Markern versehen Shafi-Modell nicht. Dies könnte aber auch durch Abweichungen zwischen Variablen (z.B. NISS statt log-transformierter ISS) erklärt sein. Die Studie zeigt auch, dass Datenbanken, die den Patienten exakter abbilden, belastbarere statistische Auswertungen zulassen, was die Mühen der Pflege rechtfertigt.

Hypothermie als unabhängiger Risikofaktor für Tod nach schwerem Unfalltrauma ist aus unserer Sicht unwahrscheinlich; als Vitalzeichen ist T@B aber weiter hinweisend auf vitale Bedrohung des Patienten und sollte daher bei Schockraumaufnahme immer erhoben werden.