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34. Kongress der Deutschen Kontinenz Gesellschaft

Deutsche Kontinenz Gesellschaft e. V.

03.11. - 04.11.2023, Leipzig

Komplikationen der 180-Watt-XPS™-GreenLight-Laserung – Ergebnisse bei 1.283 Prozeduren

Meeting Abstract

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  • corresponding author presenting/speaker Farmis Fallahi - Universität Witten/Herdecke, Witten, Deutschland
  • author Andreas Wiedemann - Universität Witten/Herdecke, Witten, Deutschland; EVK Witten, Witten, Deutschland
  • Mehrdad Fallahi - Urologische Praxisklinik Aachen, Aachen, Deutschland

Deutsche Kontinenz Gesellschaft e.V.. 34. Kongress der Deutschen Kontinenz Gesellschaft. Leipzig, 03.-04.11.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. Doc07

doi: 10.3205/23dkg07, urn:nbn:de:0183-23dkg076

Veröffentlicht: 31. Oktober 2023

© 2023 Fallahi et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Einleitung: Die 180-Watt-XPSR-Greenlight-Laserung (GLL) der Prostata hat ihren festen Stellenwert in der modernen Urologie weltweit. Im Zeitraum 2012-2019 wurden in der Urologie des Evangelischen Krankenhauses in Witten 1.283 Patienten mit der GLL der Prostata behandelt. Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich mit der Komplikationsrate des Verfahrens in einer neuen Methodik unter real-life-Bedingungen. Es wurden in dieser Untersuchung alle Patienten, die innerhalb von 3 Monaten erneut stationär aufgenommen wurden, erfasst.

In der S2e-Leitlinie zur Therapie des benignen Prostatasyndroms (BPS) sind stadienangepasste Behandlungsmöglichkeiten von medikamentösen Konzepten, dem kontrollierten Zuwarten, bis hin zu operativen Eingriffen genannt. Hierzu gehören die als Goldstandard bekannte Transurethrale Resektion der Prostata (TUR-P) und die offene-operative Adenomektomie [1], [2]. Daneben kommen verschiedene Lasersysteme, darunter die 180-Watt-XPSR-Greenlight-Laserung zum Einsatz.

Internationale, multizentrische Studien bestätigten die Gleichwertigkeit hinsichtlich der Sicherheit und Effizienz des 180-Watt-XPSR-Greenlight-Lasers gegenüber der transurethralen Resektion der Prostata (TURP). Ebenfalls bezüglich operativer Einflussfaktoren wie Komplikationen, Nebenwirkungen und Rezidiven sowie patientenbezogener Parameter wie Einfluss auf die Symptomatik, Veränderungen von Prostatavolumen, maximalem Harnfluss und Restharnvolumen war die Greenlight-Laserung gegenüber der TURP nicht unterlegen [3]. Patienten, die mit der Greenlight-XPSR-Lasertherapie behandelt wurden, erlebten eine deutlich verkürzte Verweildauer, kürzere Katheterliegezeiten und eine schnellere Genesung. Außerdem ist das Verfahren unter Berücksichtigung dieser Faktoren die kostengünstigere Behandlungsoption gegenüber einer TURP [4], [3], [5]. Die Komplikations- bzw. Reinterventionsrate des Verfahrens bedarf einer besonderen Einordnung, weil mit der 180-Watt-XPSR-Greenlight-Laserung der Prostata häufig multimorbide, „geriatrische“ Patienten behandelt werden. Aufgrund des hohen Anteils dieser gebrechlichen Patienten, welche unter Blutverdünnung wie z. B. mit Cumarinen, mit neuen oralen Antikoagulanzien oder Thrombozytenaggregationshemmern stehen [6], aber auch wegen des höheren Patientenkomforts hinsichtlich Faktoren wie Schmerz und Spülintensität und des geringeren Personaleinsatzes [7] hat sich das Verfahren in der Abteilung des Ev. Krankenhauses Witten zu dem hausinternen Standard als primäres Verfahren bei der endourologischen operativen Behandlung des benignen Prostata Syndroms entwickelt. Seit 2012 wurden insgesamt 1671 Patienten mit der 180-Watt-XPSR-Greenlight-Laserung der Prostata behandelt.

Methode: In dieser Studie wurden retrospektiv 1283 Patienten untersucht, die sich im Zeitraum von 2012 bis 2019 im Ev. Krankenhaus Witten einer operativen Behandlung aufgrund ihrer symptomatischen Prostatavergrößerung mittels einer 180-Watt-XPSR-Greenlight-Laserung unterzogen. Alle Patienten, die innerhalb von 3 Monaten erneut in die Urologie des evangelischen Krankenhauses Witten aufgenommen wurden, wurden als sogenannte „Komplikationspatienten“ erfasst. Dabei erfolgte ein Ausschluss der Patienten, die wegen eingriffsunabhängiger Erkrankungen in diesem Zeitraum hospitalisiert wurden. Die so ermittelten Patienten mit Wiederaufnahme wegen einer Komplikation wurden in ihren demographischen und klinischen Daten denen ohne Wiederaufnahme gegenübergestellt. Erfasste Parameter bei allen Patienten waren das Alter, der ASA-Score und der Umfang der 180-Watt-XPSR-Greenlight-Laserung der Prostata (gemessen mit der Gesamt-Energieabgabe in Joule). Nur bei den Komplikationspatienten wurden die Wiederaufnahmegründe in die Kategorien Hämaturie (Patienten mit/ohne Blutverdünner in der Einordnung Marcumar, Heparin, NOAK, TAH), Harnverhalt, Inkontinenz (Dranginkontinenz, Belastungsinkontinenz, Mischinkontinenz), Infektgeschehen und andere Aufnahmegründe erfasst. Patienten mit einem Infektgeschehen wurden separat in den Zeiträumen von 2012 bis 2018 und denen aus 2019 gegenübergestellt. Dies hatte seinen Grund in einer geänderten Antibiotika-Prophylaxe-Strategie: Anfang 2019 war die perioperative Antibiotika-Therapie von Ciprofloxacin 2 x 250 mg beginnend ab dem OP-Zeitpunkt bis zum 5. postoperativen Tag auf eine reine single-shot-Prophylaxe mit Cefuroxim 1,5 Gramm iv. verändert worden. Es sollte überprüft werden, ob sich eine Tendenz bei der Inzidenz entzündlicher Komplikationen nach dem Eingriff erkennen lässt.

Für die stetigen Merkmale wurde der Mittelwert und Median berechnet und zur Beurteilung der Streuungswerte wurde die Interquartilspanne bzw. die Standardabweichung angegeben. Um die Unterschiede der Patientengruppen zu beurteilen, wurden der Wilcoxon-Mann-Whitney-Test und der exakte Fisher-Test sowie logistische Regressionsanalysen durchgeführt. Der p-Wert der Teste wurde jeweils deskriptiv zum lokalen 5% Signifikanzniveau beurteilt.

Ergebnisse: Es ergab sich eine Wiederaufnahmequote von 13,25%. Der Aufnahmegrund war am häufigsten ein Harnverhalt mit 50,6% und eine Hämaturie mit 49,4% aller Patienten. Von den Patienten mit einer auftretenden Hämaturie standen 86,75% unter blutverdünnender Medikation. Das mittlere Alter der Patienten betrug 74.3 Jahre. 54.8% der Patienten erhielten präoperativ einen ASA-Score von 3 und 39.6% vertreten einen ASA-Score von 2. Aus der Regressionsanalyse ergibt sich eine 5.17fach erhöhte Wahrscheinlichkeit, von einer oder mehreren Komplikationen betroffen zu sein, für einen Patienten mit einem ASA-Score von 2 Punkten gegenüber einem Patienten mit einer ASA-1-Klassifikation und analog eine 24fach erhöhte Wahrscheinlichkeit bei einem ASA-Score von 3 vs. 1. Der Mittelwert der Laser-Energieabgabe als Surrogatparameter für die Eingriffsdauer bzw. dem Umfang des Eingriffs lag bei 216189 Joule. Der errechnete p-Wert für die Energieabgabe des Lasers in der Gegenüberstellung der Komplikationspatienten und Patienten ohne Komplikationen lag bei 0.475. Somit existiert kein signifikanter Unterschied in diesem Punkt. Die gerinnungsaktiven Medikamente lassen sich in Thrombozytenaggregationshemmern (TAH/ Plättchenhemmern) mit Acetylsalicylsäure (ASS® oder Aspirin®) und Clopidogrel (Iscover®), in Vitamin-K-Antagonisten (Phenprocoumon (Marcumar®)), sowie in die neuen oralen Antikoagulanzien (NOAKs) einteilen. Zu diesen NOAKs gehören Xarelto®, Eliquis® und Lixiana®. Von den 83 Patienten, die wegen einer Hämaturie wiederaufgenommen werden mussten, nahmen alle bis auf 11 (13.25%) eines der betrachteten Medikamente.

Schlussfolgerung: Im Vergleich mit der Referenz-Zulassungsstudie („Goliath-Trial“), die 135 multizentrische Patienten umfasste, von welchen 14.07% mindestens eine nach Clavien-Dindo- Grad II-Komplikation erlitten, zeigte sich eine vergleichbare Komplikationsrate. Dies ist umso erstaunlicher, da die mit der GLL in der vorliegenden Untersuchung behandelten Patienten sowohl im Alter als auch mit ihrer in der ASA-Klassifizierung ablesbaren Multimorbidität und damit nachfolgenden Polypharmazie Charakteristika geriatrischer Patienten aufweisen. Diese werden mit Komplikationen unter Umgehung der bei mobilen, selbstbestimmten Patienten üblichen „Filterstationen“ Hausarzt oder Urologe meist direkt stationär behandelt. Es zeigte sich erwartungsgemäß das Auftreten eines Harnverhaltes sowie einer Hämaturie unter gerinnungsaktiver Medikation. Ein höheres Alter, sowie ein ASA-Score von 2 Punkten oder mehr steigern das Risiko, an einer/mehrerer Komplikationen zu erleiden. Um Erfolge langfristig postoperativ für diese Patienten sicher stellen zu können, sollte die Verzahnung des ambulanten und stationären Sektors noch optimiert werden.

Fazit für die Praxis:

1.
Bilaterale Kommunikation zwischen Urologen und Hausarzt über Art und Umfang der stattgehabten Operation und ihrer speziellen Risiken
2.
Organisation von Kontrollen des Urins auf Infektfreiheit postoperativ bzw. einer eventuellen Therapie einer detektierten Harnwegsinfektion auch bei Patienten in ambulanter oder stationärer Pflege
3.
Gemeinsame Absprache der Dauer einer NOAK- oder Phenprocoumon-Pause
4.
Organisation eines „Notfallplans“ für den Fall des Auftreten einer möglichen Komplikation
5.
Information bzw. Schulung von Betreuungspersonen

Interessenkonflikte:

  • F. Fallahi gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
  • A. Wiedemann: Berater- bzw. Gutachtertätigkeit: Bene Arzneimittel, Dr. Pfleger, Pfizer Pharma, Omega Pharma. Mitarbeit in einem Wissenschaftlichen Beirat (Advisory Board): Dr. Pfleger, Pfizer Pharma, Omega Pharma. Bezahlte Vortrags-/oder Schulungstätigkeit: AMS Deutschland, Astellas, Berlin Chemie, Boston Scientific, Dr. Pfleger, Ipsen, Jansen, Meda, Medice, Merck, Omega Pharma, Acticor, Aristo. Uroinnovation. Urovision, Das Fortbildungskolleg. Forschungsvorhaben/Durchführung klinischer Studien: Boston Scientific, Dr. Pfleger, Paul- Kuth-Stiftung Deutsche Bank. Indirekte Interessen: DGU, DGG, DKG, NRW-GU.
  • M. Fallahi: Berater- bzw. Gutachtertätigkeit: Dr. Pfleger, Ipsen Pharma, Ärztekammer NRW, Sozialgericht. Bezahlte Vortrags-/oder Schulungstätigkeit: Dr. Pfleger, Ipsen. Indirekte Interessen: DGU, DGK, NRW-GU, AUA, EAU, IAU.

Literatur

1.
Arbeitskreis Benignes Prostatasyndrom (AK BPS) der Akademie der Deutschen Urologen; Deutsche Gesellschaft für Urologie e. V.; Berufsverband der Deutschen Urologen e.V., Hrsg. Leitlinien zur Therapie des Benignen Prostatasyndrom der Qualität S2e. 2014 [Zugriff am 01.05.2017]. Verfügbar unter: https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/043-035l_S2e_Therapie_benignes_Prostatatasyndrom_2014_11-abgelaufen.pdf Externer Link
2.
Berges R, Dreikorn K, Höfner K, Madersbacher S, Michel MC, Muschter R, Oelke M, Reich O, Rulf W, Tschuschke C, Tunn U; Society of German Urologists. Therapie des benignen Prostatasyndroms (BPS): Leitlinien der Deutschen Urologen [Therapy of benign prostate syndrome (BPS): guidelines of the German Urologists (DGU)]. Urologe A. 2009 Dec;48(12):1503-16.
3.
Bachmann A, Tubaro A, Barber N, et al. A European Multicenter Randomized Noninferiority Trial Comparing 180 W GreenLight-XPS Laser Vaporization and Transurethral Resection of the Prostate for the Treatment of Benign Prostatic Obstruction: 12-Month Results of the GOLIATH Study. J Urol. 2015 Feb;193(2):570-8.
4.
Bachmann A, Tubaro A, Barber N, et al. 180W XPS GreenLight Laser Vaporization Versus Transurethral Resection of the Prostate for the Treatment of Benign Prostatic Obstruction: 6-Month Safety and Efficacy Results of a European Multicentre Randomized Trial – The GOLIATH Study. Euro Urol. 2014 May;65(5):931-942.
5.
Bachmann A, Thomas JA, Tubaro A, Barber N, et al. A Multicenter Randomized Noninferiority Trial Comparing GreenLight-XPS Laser Vaporization of the Prostate and Transurethral Resection of the Prostate for the Treatment of Benign Prostatic Obstruction: Two-yr Outcomes of the GOLIATH Study. Eur Urol. 2016 Jan;69(1):94-102.
6.
Knoblauch M, Wiedemann A, Heppner HJ. Lässt sich eine dauerhafte Katheterversorgung bei geriatrischen Patienten mit Harnverhalt oder chronischer Harnretention durch eine 180-W-XPS-Greenlight-Lasertherapie der Prostata vermeiden? [Is it possible to avoid a life-long suprapubic catheter in geriatric patients with urinary retention or overflow incontinence by a simultaneous GreenLight laser procedure?]. Aktuelle Urol. 2020;51(01):42-47.
7.
Lichtenberg T, Wiedemann A, Heppner H. Vergleich von 180-Watt-XPS-Greenlight-Laserung und transurethraler Elektroresektion der Prostata: Patienten und Personalkomfort in der klinischen Routine [Comparison of 180 W Greenlight-XPS laser vaporisation and transurethral resection of the prostate: comfort for patients and healthcare staff in clinical routine practice]. Aktuelle Urol. 2020 Feb;51(1):59-64.