gms | German Medical Science

32. Kongress der Deutschen Kontinenz Gesellschaft

Deutsche Kontinenz Gesellschaft e. V.

05. - 06.11.2021, online

Beckenboden-REhabilitations-STudie BREST

Meeting Abstract

Deutsche Kontinenz Gesellschaft e.V.. 32. Kongress der Deutschen Kontinenz Gesellschaft. sine loco [digital], 05.-06.11.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. Doc65

doi: 10.3205/21dkg65, urn:nbn:de:0183-21dkg650

Veröffentlicht: 4. November 2021

© 2021 Lange et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Einleitung: Die Prävalenz von Belastungsinkontinenz in der Schwangerschaft wird in der internationalen Literatur mit 18,6–60% beschrieben [1]. Für Deutschland existieren keine Zahlen zur Prävalenz. Das Risiko post partum inkontinent zu sein, ist für die Frauen, bei denen die Harninkontinenz bereits während der Schwangerschaft auftritt, etwa dreimal so hoch als bei Frauen, die keine Harninkontinenz in der Schwangerschaft aufweisen [2]. Die Persistenz der Harninkontinenz über 12 Jahre nach der Geburt liegt bei 24–37,9% [3].

Üblicherweise werden bei Patientinnen, die post partum über eine Harninkontinenz klagen, Rückbildungskurse oder Beckenbodengymnastik angeboten. Hier wurde über eine Verbesserung der subjektiven Harninkontinenzbelastung um 30% bei den Rückbildungskursen und einer Halbierung der wöchentlichen Inkontinenzereignisse nach Beckenbodengymnastik berichtet [4], bei einer Pessaranwendung wurde in einer Metaanalyse Erfolgsraten von bis zu 90% [5] beschrieben.

Fragestellung:

1.
Wie groß ist die Prävalenz der Harninkontinenz post partum in Deutschland?
2.
Wir groß ist bei Wöchnerinnen mit Harninkontinenz die Effizienz von
a) den üblichen Rückbildungskursen,
b) einer Beckenbodengymnastik durch eine/n Physiotherapeutin/en,
c) einer Pessartherapie?
3.
Wie ist das Therapieverhalten der Gynäkolog*innen bei Wöchnerinnen mit Harninkontinenz?

Methode: Teil 1: In 6 Frauenarztpraxen (16 Gynäkolog*innen) wurden alle Wöchnerinnen, die bereit waren Auskunft zu geben, ob sie vor, während und/oder nach der Schwangerschaft inkontinent waren, erfasst.

Teil 2: Die Wöchnerinnen, die eine Therapie ihrer Harninkontinenz wünschten, wurden randomisiert den drei Therapiearmen zugewiesen. Erfasst wurde die Inkontinenz-Episodenfrequenz (IEF) über je zwei Tage, die Beeinträchtigung der Lebensqualität durch den King´s Health Questionnaire sowie die Zufriedenheit nach 6–10 Wochen Therapie.

Teil 3: In einer Newsletter-Umfrage wurden Gynäkolog*innen gebeten einen kurzen Fragenbogen im Internet zum Thema Therapie der Harninkontinenz post partum auszufüllen.

Ergebnisse: Teil 1: Eingeschlossen in die Studie wurden n = 502 Wöchnerinnen. 491 Fälle konnten ausgewertet werden. Post partum gaben 21,2 % eine Harninkontinenz an (1.Para 18,1%, >2Para 24,9%). Nach einem Spontanpartus waren es 25,6% (1.Para 22,5%, >2Para 28,8%), nach vaginal operativen Entbindungen 20,8% (1.Para 9%, >2Para 7,1%), nach Sectio 10,3% (1 Para 2%, >2Para 18,3%).

Teil 2: 9,6% der Wöchnerinnen wünschten eine Therapie der Harninkontinenz. Zufrieden mit der Therapie waren nach dem Rückbildungskurs 38%, nach der Physiotherapie 31%, mit einer Pessartherapie 85% (Abbildung 1 [Abb. 1]).

Teil 3: 189 Gynäkolog*innen beteiligten sich an der Online-Umfrage, 107 Niedergelassene und 82 Kliniker. Bei den Niedergelassenen gaben 61% an, keine Pessartherapie bei Harninkontinenz post partum durchzuführen, 15% in weniger als 10% und nur 1% in allen Fällen. Bei den Klinikern waren es 40% keine Pessartherapie, 21% in weniger als 10% der Fälle und 6% bei allen Inkontinenten.

Schlussfolgerung: Die Prävalenz der Harninkontinenz post partum in unserer Studie entsprach den Angaben in der internationalen Literatur. Der niedrige Therapieerfolg bei den Rückbildungskursen und bei der Physiotherapie lässt sich durch die Tatsache erklären, dass post partum meist eine Hypermobilität des Blasenhalses vorliegt, der durch eine gewisse Verbesserung der Funktionalität der Beckenbodenmuskulatur nur bedingt kompensierbar ist. Physiotherapie und/oder Rückbildungskurse alleine sind daher unzureichend. Therapie der Wahl ist hier die Suspension des Blasenhalses durch eine Pessartherapie, die in Deutschland aber nur vollkommen unzureichend eingesetzt wird. Eine Intensivierung in der Facharzt-Weiterbildung ist dringend geboten.

Interessenkonflikt:

  • Rainer Lange:
    • Beraterverträge: Coloplast, Contura
    • Referent: Coloplast
    • Beteiligungen/Tätigkeit: coma-urogyn GmbH
    • Studien: Coloplast, Contura
  • Andere Autoren: Keine

Literatur

1.
Sangsawang B, Sangsawang N. Stress urinary incontinence in pregnant women: a review of prevalence, pathophysiology, and treatment. Int Urogynecol J. 2013 Jun;24(6):901-12.
2.
Herrmann V, Scarpa K, Palma PC, Riccetto CZ. Stress urinary incontinence 3 years after pregnancy: correlation to mode of delivery and parity. Int Urogynecol J Pelvic Floor Dysfunct. 2009 Mar;20(3):281-8. DOI: 10.1007/s00192-008-0767-8 Externer Link
3.
MacArthur C, Wilson D, Herbison P, Lancashire RJ, Hagen S, Toozs-Hobson P, Dean N, Glazener C; Prolong study group. Urinary incontinence persisting after childbirth: extent, delivery history, and effects in a 12-year longitudinal cohort study. BJOG. 2016 May;123(6):1022-9.
4.
Davila GW, Bernier F. Multimodality pelvic physiotherapy treatment of urinary incontinence in adult women. Int Urogyn J. 1995;4:187-194.
5.
Al-Shaikh G, Syed S, Osman S, Bogis A, Al-Badr A. Pessary use in stress urinary incontinence: a review of advantages, complications, patient satisfaction, and quality of life. Int J Womens Health. 2018 Apr 17;10:195-201.