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32. Kongress der Deutschen Kontinenz Gesellschaft

Deutsche Kontinenz Gesellschaft e. V.

05. - 06.11.2021, online

Ätiologie und Pathophysiologie häufig koexistierender Blasen-, Darmfunktionsstörungen und Schmerzen bei vaginalem Prolaps

Meeting Abstract

Deutsche Kontinenz Gesellschaft e.V.. 32. Kongress der Deutschen Kontinenz Gesellschaft. sine loco [digital], 05.-06.11.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. Doc60

doi: 10.3205/21dkg60, urn:nbn:de:0183-21dkg601

Veröffentlicht: 4. November 2021

© 2021 Liedl et al.
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Gliederung

Text

Einleitung: Vaginaler Prolaps kann Symptome von über- und unteraktiver Blase, Stuhlinkontinenz, Stuhlentleerungsstörungen und Schmerzen verursachen [1], [2]. Adäquate Prolapskorrektur kann zur Verbesserung aller dieser häufig ko-existierenden Funktionsstörungen in hohen Prozentsätzen führen [3], [4]. Zur Analyse der Ursache und Pathophysiologie dieser Funktionsstörungen erfolgte eine systematische Analyse des Schrifttums.

Methode: Entsprechend dem PRISMA-Empfehlungen und den PICOS-Kriterien erfolgte eine systematische Literaturanalyse zu vaginalem Prolaps und den genannten Funktionsstörungen.

Ergebnisse: Es scheint eine gemeinsame Ätiologie von vaginalem Prolaps und all diesen Funktionsstörungen zu geben, nämlich bindegewebige Lockerung/Laxizität bzw. Defekte.

a) Lockerungen bzw. Defekte von sakrouterinem und kardinalem Ligament, pubozervikaler Faszie, Arcus tendineus fasciae pelvis, rectovaginaler Faszie und Perinealkörper, sowie pubourethrales Ligament sind Hauptursachen von vaginalem Prolaps. Muskeldefekte (Avulsionen) scheinen von untergeordneter Bedeutung zu sein.
b) Symptome überaktiver Blase entstehen bei gelockerter vorderer Scheidenwand, indem schon bei geringer Blasenfüllung die Dehnungsrezeptoren frühzeitig aktiviert werden, was zu Harndrangbeschwerden, Pollakisurie, Harndranginkontinenz und Nykturie führen kann.
c) Ein gelockerter/defekter bindegewebige Stützapparat führt zu Überdehnung der Binnenmuskulatur des Beckenbodens (M. pubococcygeus, Levatorplatte, longitudinaler Muskel des Anus). Durch die Längenabhängigkeit der Muskelkraft nimmt die Muskelkraft ab, was zur Stressharninkontinenz und Stuhlinkontinenz (Minderung der Verschlusskräfte) bzw. Harnblasenentleerungs- und Stuhlentleerungsstörung (Minderung der Öffnungskräfte) führen kann.
d) Durch gelockerte – vor allem apikale - Bänder entsteht eine Hypermobilität des Apex der Scheide, wodurch der Plexus pelvicus (sympathische Nerven von Th12-L2, parasympathische Nerven von S2-S4, somatische Nerven von S2-S4 gedehnt und gereizt werden), sodass unterschiedliche Schmerzzustände (tiefe Bauch- und Kreuzschmerzen, aber auch Unwohlsein, fortgeleitete Schmerzen im Bereich der Vulva entstehen können.

Schlussfolgerung: Das Verständnis der ätiologischen und pathophysiologischen Grundlagen der komplexen Beckenbodendysfunktionen ist Voraussetzung für zielgerichtete Therapien, die auch chirurgisch (Prolapskorrektur) sein können.

Interessenkonflikt:

  • Dr. Liedl: Honorare von Boston Scientific
  • Prof. P. Petros: seine Familie ist Patentinhaber des tissue fixation system.
  • Alle anderen Autoren: keine Interessenkonflikte

Literatur

1.
Liedl B, Inoue H, Sekiguchi Y, et al. Update of the Integral Theory and System for Management of Pelvic Floor Dysfunction in Females. Eur Urol Suppl. 2018;17:100-108.
2.
Petros P, Ulmsten U. An integral theory and its method for the diagnosis and management of female urinary incontinence. Scand J Urol Nephrol Suppl. 1993;153:1-93
3.
Liedl B, Goeschen K, Yassouridis A, et al. Cure of Underactive and Overactive Bladder Symptoms in Women by 1,671 Apical Sling Operations gives Fresh Insights into Pathogenesis and Need for Definition Change. Urol Int. 2019;103:228-234.
4.
Liedl B, Goeschen K, Durner L. Current Treatment of Pelvic Organ Prolapse Correlated with Chronic Pelvic Pain, Bladder and Bowel Dysfunction. Curr Opin Urol. 2017;27:274-281.