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Deutscher Rheumatologiekongress 2024

52. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh)
34. Jahrestagung der Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie (GKJR)
38. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie (DGORh)

18.09. - 21.09.2024, Düsseldorf

Empfehlungen der DGRh-Kommission für komplementäre Heilverfahren und Ernährung zur Anwendung von ausgewählten Phytotherapeutika in der Rheumatologie

Meeting Abstract

  • Gernot Keyßer - Universitätsklinikum Halle (Saale), Universitätsklinik und Poliklinik für Innere Medizin II, Halle (Saale)
  • Inna Frohne - Privatpraxis für Rheumatologie, Essen
  • Andreas Michalsen - Charité Universitätsmedizin Berlin, Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie, Berlin
  • Alexander Pfeil - Universitätsklinikum Jena, Klinik für Innere Medizin III, Jena
  • Monika Reuss-Borst - Rheumatologische Facharztpraxis, Bad Bocklet
  • Olaf Schultz - Acura Kliniken Baden-Baden, Abteilung Rheumatologie, Baden-Baden
  • Oliver Sander - Universitätsklinikum Düsseldorf, Klinik für Rheumatologie, Düsseldorf
  • Olga Seifert - Universitätsklinikum Leipzig, Klinik und Poliklinik für Endokrinologie, Nephrologie und Rheumatologie, Leipzig

Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie. Deutsche Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie. Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie. Deutscher Rheumatologiekongress 2024, 52. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie und Klinische Immmunologie (DGRh), 34. Jahrestagung der Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie (GKJR), 38. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie (DGORh). Düsseldorf, 18.-21.09.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. DocVS.10

doi: 10.3205/24dgrh235, urn:nbn:de:0183-24dgrh2355

Veröffentlicht: 18. September 2024

© 2024 Keyßer et al.
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Gliederung

Text

Einleitung: Phytotherapeutika sind ein essentieller Bestandteil traditionell überlieferter Medizinsysteme wie der Ayurvedischen Medizin und der Traditionellen Chinesischen Medizin. Auch außerhalb dieser Systeme werden pflanzliche Präparate für Symptome und Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises angeboten und oft intensiv in der Laienpresse beworben. Die DGRh-Kommission für Komplementäre Heilverfahren und Ernährung (KHE) hat die wissenschaftliche Literatur zu ausgewählten frei verkäuflichen, und von verschreibungsfähigen Phytotherapeutika gesichtet und Möglichkeiten für ihre Anwendung in der Rheumatologie geprüft.

Methoden: In einer Online-Sitzung der Kommission KHE am 8.2.2023 wurde eine Liste von Phytotherapeutika erstellt, die in der Rheumatologie häufig Anwendung finden (meist als Selbstmedikation). Jedes Mitglied der Kommission führte daraufhin eine Literaturrecherche zu einem oder zwei pflanzlichen Präparaten durch und fasste die Ergebnisse nach einer vorab vereinbarten Matrix zusammen. Dabei wurde zu Borretsch-Öl, Brennnesselpräparaten, Cannabis-Präparaten sowie Zubereitungen von Rosa canina, Rosmarin, Safran und Weidenrinde recherchiert. Außerdem wurde die Datenlage zum Mischpräparat Phytodolor® untersucht. Die Ergebnisse wurden im Umlaufverfahren überprüft und in zwei weiteren Online-Sitzungen der Kommission KHE konsentiert.

Ergebnisse: Auch wenn für alle untersuchten Pflanzenstoffe Berichte über entzündungshemmende oder immunologische Effekte in vitro und/oder im Tiermodell vorliegen, ist die Evidenz für einen klinisch relevanten Nutzen sehr spärlich. Keines der untersuchten Präparate hat eine therapeutische Wirksamkeit, die eine Anwendung bei Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises, insbesondere bei entzündlichen Gelenkerkrankungen, rechtfertigt. Phytotherapeutika auf der Basis von Safran und Rosmarin werden generell nicht empfohlen. Borretsch-Öl aus Samen kann bei standardisierter Herstellung im Rahmen einer gesundheitsbewussten Ernährung eingenommen werden, eine nennenswerte entzündungshemmende Wirkung ist nicht zu erwarten. Die übrigen Pflanzenteile enthalten Pyrrolizidinalkaloide, die als gentoxisch, karzinogen und lebertoxisch eingestuft sind. Von Phytodolor®, sowie Präparaten auf Basis von Brennnessel, Weidenrinde oder Rosa Canina, die bei degenerativen Gelenkerkrankungen auf Patienten-Initiative eingenommen werden, müssen Rheumatologen nicht abraten, wenn ansonsten ein sinnvolles Therapiekonzept eingehalten wird. Für medizinisches Cannabis existiert keine ausreichende Evidenz für eine Verordnung bei entzündlich rheumatischen Erkrankungen zur Krankheitsmodifikation oder zur symptomatischen Therapie. In Einzelfällen kann jedoch die Anwendung zur Reduktion von chronischen, insbesondere neuropathischen Schmerzen sowie Schlafstörungen und zur Reduktion des Opiatverbrauchs gerechtfertigt sein.

Schlussfolgerung: Auch wenn die hier vorgestellten pflanzlichen Präparate für die rheumatologische Praxis differenziert betrachtet werden müssen, ist der Stellenwert der Phytotherapie für das Fachgebiet gering und ihre Anwendung nicht als risikofrei anzusehen.

Offenlegungserklärung: Die Autoren erklären, dass bezüglich des behandelten Themas kein Interessenkonflikt besteht.