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Psoriasis plus. It’s all in the family
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Veröffentlicht: | 18. September 2024 |
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Gliederung
Text
Vorgeschichte: Eine 46-jährige Patientin stellte sich mit ausgeprägter Psoriasis und Gelenkschmerzen in der interdisziplinären Sprechstunde des Zentrums für Personalisierte Medizin/Immunvermittelte Erkrankungen (ZPMi) der Universitätsklinik Ulm vor. Anamnestisch imponierten eine Hypothyreose und verschieden geartete dentale Probleme. In der Vergangenheit habe sie Phasen starken Haarausfalls am gesamten Körper erlitten. Ein Abort wurde berichtet, keine thrombembolischen Ereignisse.
Die Frau erzählte des Weiteren von einer familiären Psoriasisbelastung (Sohn und Mutter). Ihr 13-jähriger Sohn leide ebenfalls an einer Hypothyreose und an einer spastischen Paraparese. Die Mutter der Patientin habe bereits mit 40 Jahren die Gehfähigkeit verloren und sei früh wegen einer „Lebererkrankung“ verstorben.
Leitsymptom bei Krankheitsmanifestation: Neben den typischen Zeichen einer Psoriasis vulgaris (PASI = 24) zeigten sich ein stark gerötetes Gesicht mit fazialen Milien und livide erscheinende Verfärbungen einzelner Finger.
Augenscheinlich bestanden eine Handgelenksarthritis und mehrere Daktylitiden.
Im Labor präsentierten sich erhöhte Entzündungswerte sowie ein ANA-Titer 1:320 mit Sm- und U1-RNP-Autoantikörper-Nachweis.
Wir stellten die Verdachtsdiagnose einer Psoriasisarthritis mit möglichem SLE-Overlap und initiierten die weitere Diagnostik.
Die EULAR-Kriterien für einen SLE wurden nicht erfüllt; Hautbiopsien von Gesicht und Finger bestätigten keinen kutanen Lupus.
Diagnostik: Aufgrund der spastischen Paraparese des Sohnes wurde eine genetische Diagnostik mittels Trio-Exom-Sequenzierung durchgeführt. Diese wies bei ihm und bei der Patientin die wahrscheinlich pathogene (Klasse 4) Variante c.2159G>A (p.Arg720Gln) im IFIH1-Gen nach. Krankheitsverursachende Varianten im IFIH1-Gen führen über einen „Gain-of-Function“-Pathomechanismus zu verschiedenen Typ 1-Interferonopathien wie dem Singleton-Merten-Syndrom (SMS, autosomal-dominante Vererbung).
Krankheitsbild: Das SMS wird – wie das Aicardi-Goutières-Syndrom - durch eine übersteigerte Interferon Typ 1-Antwort verursacht. Während der MDA5-Rezeptor (durch das IFIH1-Gen kodiert) physiologischerweise virale ds-RNA erkennt, werden beim SMS die körpereigenen Nukleinsäuren als pathogen wahrgenommen, was zur Autoinflammation führt.
Das Syndrom ist extrem selten und kann u.a. folgende Symptome verursachen: Spastische Paraparese, muskuläre Schwäche, Psoriasis, Hypothyreose, Autoimmunhepatitis, Lupus-like-Disease, Arthropathie, Osteoporose, Akroosteolyse, abnorme Zahnentwicklung, Verkalkungen an Herz und Aorta, Kardiomyopathie, Glaukom, Myopie, Entwicklungsverzögerungen, Fieber, Laborauffälligkeiten (z.B. Thrombopenie).
Schlussfolgerung: Therapie: Wir initiierten bei der neurologisch unauffälligen Patientin vorerst eine klassische Psoriasis/-arthritistherapie mit Secukinumab, überlappend mit niedrig-dosierten Steroiden und Methotrexat. Eine off-label-Therapie mit Anifrolumab oder JAKi steht in Diskussion.
Der Sohn der Patientin wird in der Universitätskinderklinik Ulm behandelt.
Offenlegungserklärung: Diese Arbeit wurde mit einer Förderung durch das Land Baden-Württemberg im Rahmen der Zentren für Personalisierte Medizin Baden-Württemberg (ZPMi) unterstützt.
ET hat in den letzten drei Jahren Honorare für Vorträge oder Beratungstätigkeit, finanzielle Projektunterstützungen sowie Kongressreisestipendien von folgenden Firmen erhalten: Abbvie, Amgen, Astra zeneca, BMS, Celltrion, Hexal, Janssen, Medac, MSD, Novartis, Sobi und UCB.
Im Zusammenhang mit dieser Publikation besteht kein Interessenskonflikt.
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