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Oligoarthritis der großen Gelenke: Manifestation einer rheumatoiden Arthritis?
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Veröffentlicht: | 18. September 2024 |
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Vorgeschichte: Ein 30-jähriger IT-Spezialist wurde mit einer seit einem Jahr bestehenden Oligoarthritis in unser Klinikum eingewiesen. Zuvor hatte der Patient in der rheumatologischen ambulanten Behandlung ein Ansprechen auf Prednisolon, jedoch nicht auf eine Therapie mit Methotrexat gezeigt.
Leitsymptom bei Krankheitsmanifestation: Oligoarthritis der großen Gelenke.
Diagnostik: In der körperlichen Untersuchung bestand eine hochfloride Oligoarthritis des linken Ellbogen- und rechten Kniegelenks, geringer auch im linken Sprunggelenk, ansonsten konnten internistisch/rheumatologisch keine weiteren pathologischen Befunde erhoben werden. Laborchemisch zeigte sich eine Erhöhung des CRP (102 mg/l) und der BSG (40 mm/h). Die Bestimmung von RF, anti-CCP-AK, ANA und des HLA-B27 waren unauffällig. Im Röntgen-Thorax (2 Ebenen) und der Sonographie des Abdomens zeigten sich Normalbefunde, die Gelenksonografie zeigte in den 3 klinisch betroffenen Gelenken eine hochfloride Arthritis.
Die Gelenkpunktion des rechten Kniegelenks erbrachte einen entzündlichen Erguss mit 4.800 Leukozyten/µl ohne Hinweise auf eine Kristallarthropathie. Die mikrobiologische Diagnostik (Färbung und Kultur auf konventionelle bakterielle Erreger, Färbung auf säurefeste Stäbchen, PCR auf B. burgdorferi und T. whipplei) blieb bis zur Entlassung negativ.
Die HBV und HCV Serologien waren unauffällig, der Tbc-Elispot zeigte ein grenzwertiges, der hierauf durchgeführte Tbc-Quantiferon Test ein negatives Ergebnis. Der in Indien aufgewachsene Patient gab an, dass ihm in seinem persönlichen Umfeld keine Tbc-Exposition bekannt sei.
Diagnose: Oligoarthritis, nach Ausschlussdiagnostik für infektiöse und andere Differentialdiagnosen am ehesten im Sinne einer rheumatoiden Arthritis.
Therapieempfehlung: Ergänzung der bisher nicht ausreichend wirksamen Basistherapie mit Methotrexat um Etanercept.
Weiterer Verlauf: Vier Wochen nach Beginn der zusätzlichen Therapie mit Etanercept wurden wir über den kulturellen Nachweis von Mykobacterium tuberculosis aus dem Kniegelenkspunktat informiert. Zu diesem Zeitpunkt berichtete der Patient telefonisch über eine persistierende Oligoarthritis und einen seit 10 Tagen neu eingesetzten unproduktiven Husten. Eine umgehende Einweisung in eine Lungenfachklinik erbrachte CT-grafisch eine Bronchiolitis und bihiläre Lymphadenopathie. Nach einer diagnostischen Brochoskopie wurde eine Standard 4-fach Therapie der Tuberkulose (INH|RPM|PZA|EMB) wurde eingeleitet, die Basistherapie mit ETN und MTX beendet.
Trotz der tuberkulostatischen Therapie unter fortgeführter Prednisolontherapie mit 10 mg/die exazerbierten die Gelenkbeschwerden. Röntgenologisch zeigte sich nun eine erosive Destruktion des linken Olecranon, arthosonographisch eine hochfloride Cubitalarthritis. Unter dem V.a. Immunrekostitutionssyndrom (IRIS) nach dem Beenden der Etanercept-Therapie, wurde die Prednisolondosis vorübergehend auf 40 mg/die erhöht und die 4-fach tuberkulostatische Therapie fortgeführt, worunter sich die Oligoarthritis im Verlauf besserte.
Diskussion: Durch die veranlasste mykobakterielle Kultur der Synovialflüssigkeit konnte trotz negativem Ergebnis in der Mikroskopie, wenn auch erst zeitlich verzögert, die korrekte Diagnose einer tuberkulösen Arthritis gestellt werden. Die Präsentation des Patienten mit einer Oligoarthritis ist hier jedoch ungewöhnlich, da die meisten Patienten mit einer tuberkulösen Arthritis eine Monarthritis aufweisen. Die beobachtete klinische Verschlechterung der Cubitalarthritis nach Absetzten des TNF-Inhibitors Etanercept ist in unserer Einschätzung am ehesten auf ein Immunrekostitutionssyndrom (IRIS) zurückzuführen. Dieses wird häufig bei HIV-Patienten nach Verbesserung der Immunitätslage unter eingeleiteter antiretroviraler Therapie bei opportunistischen Infektionen beobachtet, wurde aber auch in Einzelfällen nach einer Beendigung von Infliximab bei Patienten mit einer Tuberkulose bereits beschrieben.
Offenlegungserklärung: Die Autoren erklären, dass keine Interessenkonflikte bestehen.
Literatur
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