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Gefährliche Körperverletzung. Die Rheuma-Polizei bittet um Ihre Mithilfe! Gesucht wird eine mutmaßlich autoinflammatorische Diagnose, die sich wiederholten Fahndungsversuchen entzogen hat
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Veröffentlicht: | 18. September 2024 |
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Gliederung
Text
Vorgeschichte: Seit den ersten Lebensmonaten leidet der Patient an einer atopischen Dermatitis. Außer rezidivierender Tonsillitiden in der Adoleszenz bestand keine Infektneigung.
Im Alter von 21 Jahren kam es nach einem febrilen Infekt mit Diarrhoen während eines Australienaufenthalts zu einer beidseitigen Achillessehnen-Tendinitis, schubweise auftretendem Nachtschweiß sowie Kopf- und Gliederschmerzen. In der Diagnostik wurde zu diesem Zeitpunkt lediglich eine beidseitige Sakroiliitis objektiviert.
Im Alter von 25 Jahren entwickelte der Patient eine Fokal-segmentale Glomerulosklerose mit ausgeprägter Proteinurie, die kurzfristig mit hochdosierten Steroiden behandelt wurde.
Im Alter von 30 Jahren kam es nach einer Wanderung zu einem Krankheitsschub mit Myarthralgien, Übelkeit, Nachtschweiß, Schüttelfrost ohne Fieber und einem Gewichtsverlust von 15 kg in 4 Wochen. Zu dieser Zeit zeigte sich laborchemisch erstmals eine deutliche Entzündungsreaktion (CRP >100 mg/l). In den Folgejahren manifestierte sich darüber hinaus ein Diabetes mellitus Typ-1A, eine akute Pankreatitis und wiederholte Herpes-Zoster-Reaktivierungen.
Leitsymptom bei Krankheitsmanifestation: Im Frühjahr 2023 entwickelte der Patient nach einer SARS-CoV-2-Infektion mit protrahiertem Verlauf eine Hörminderung, Sehstörungen und Kribbelparästhesien der rechten Körperhälfte. Neurologisch erfolgte die Erstdiagnose einer zervikalen Myelitis, einer Vitritis und einer Papillitis.
Diagnostik: Laborchemisch zeigte sich während des langjährigen Verlaufs ein CRP-Schwankungsbereich von 20–100 mg/l bei stets normwertigen Parametern von Ferritin, sIL2-Rezeptor und Serum-Amyloid. Das immunologische Labor mit ANA- und ANCA-Diagnostik, Immunfixation und den Rheumafaktoren verblieb wiederholt unauffällig. In der Lymphozytendifferenzierung imponierte eine Verminderung transitionaler und naiver B-Zellen bei zeitgleicher Expansion von CD21low-Zellen. Die infektiologische Diagnostik verblieb unauffällig. In wiederholten Ganzkörper-MRT- und PET-CT-Untersuchungen konnten entzündliche Lungenrundherde und multifokale, teils osteolytisch, teils osteoplastische Knochenläsionen wechselnder Lokalisationen nachgewiesen werden.
In der histologischen Aufarbeitung der pulmonalen und ossären Läsionen zeigten sich entzündliche Veränderungen ohne Hinweis auf Malignität, eine systemische Histiozytose bzw. eine Erdheim-Chester-Erkrankung.
Der Patient ist HLA-B27 positiv. In einer Whole-Exome-Sequenzierung wurde eine COL4A3-Gen-Variante unklarer Signifikanz (Assoziation mit dem Alport-Syndrom) und eine benigne Variante im TNFRSF1A-Gen nachgewiesen.
Therapie: In der langjährigen Patientengeschichte erfolgten Therapieversuche mit Prednisolon, Leflunomid, Cyclophosphamid, verschiedenen TNF-Inhibitoren, Anakinra, Canakinumab, Tocilizumab, und Baricitinib.
Weiterer Verlauf: Aktuell besteht eine Behandlung mit Bisphosphonaten, niedrigdosiertem Prednisolon und Etoricoxib, worunter sich ein klinisch stabiler, laborchemisch jedoch persistierend entzündlicher Verlauf zeigt. Eine Zuordnung dieses unklaren Inflammationssyndroms ist weiterhin nicht gelungen.
Offenlegungserklärung: Es bestehen keine Interessenskonflikte.