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Steroidrefraktäre Polymyalgia Rheumatica mit exorbitant hohem Procalcitonin. Alles Sepsis oder was?
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Veröffentlicht: | 18. September 2024 |
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Vorgeschichte: Die bislang gesunde 79-jährige Patientin stellte sich Anfang November 2023 mit Schultergürtel-Myalgien, systemischer Inflammation (CRP 70 mg/l, Norm <5 ml/l) und Gewichtsverlust von 4 kg erstmals bei ihrem Hausarzt vor. Unter der naheliegenden Verdachtsdiagnose einer Polymyalgia Rheumatica (PMR) wurde eine Prednisolontherapie mit 30 mg/die und initial bereits eine Basistherapie mit Methotrexat (MTX) 15 mg 1x/Wo. s.c. eingeleitet. Aufgrund persistierend erhöhter systemischer Inflammation (CRP 30 mg/l) wird die Patientin dann Anfang März 2024 zur weiteren Abklärung in unsere Fachklinik überwiesen.
Leitsymptom bei Krankheitsmanifestation: Zum Vorstellungszeitpunkt bei uns präsentiert sich die Patientin in mäßig reduziertem AZ, PMR-Symptomatik oder Hinweise für eine craniale Großgefäßvaskulitis ließen sich nicht erfragen.
Diagnostik: Wegen der unklaren Inflammation erfolgte bereits bei Aufnahme die Abnahme von 2 Blutkulturen und die Bestimmung des Procalcitonin (PCT). Sonographisch bestanden keine Hinweise für eine Großgefäßvaskulitis oder eine PMR. Die Laboranalytik bestätigte die Inflammation (CRP 33 mg/l). Am Nachmittag der Aufnahme wurde vom Labor der PCT-Wert von 97,5 ng/ml (Norm <0,5 ng/ml) übermittelt. Da eine schwere bakterielle Infektion oder Sepsis bei nur mäßig reduziertem AZ der Patientin unplausibel erschien, erfolgte eine weitere Umfeld-Diagnostik. Eine Sonographie der Schilddrüse (SD) zeigte einen nach der TIRADS-Klassifikation [1] suspekten Knoten im rechten SD-Lappen (s. Abbildung 1 [Abb. 1]). Zudem fand sich ein massiv erhöhtes Calcitonin (10.406 pg/ml, Norm <4,8 pg/ml) und carcinogenes embryonales Antigen (CEA) (215 ng/ml, Norm <4,6 ng/ml). Die unter dem V.a. ein medulläres Schilddrüsenkarzinom (MTC) und zum Ausschluss anderer DD durchgeführte PET-CT Untersuchung zeigten einen inomogenen nuklidspeichernden SD-Knoten rechts. mit fokaler Akzentuierung paratracheal, sowie flau FDG-positive mediastinale Lymphknoten.
Diagnose: Hochgradiger V.a. medulläres Schilddrüsenkarzinom.
Therapie: Die MTX-Therapie wurde abgesetzt und die Glukokortikoidtherapie zunächst auf 2,5 mg/die reduziert. Der Patientin wurde eine zeitnahe Vorstellung in einem Zentrum für endokrinologische Chirurgie empfohlen.
Diskussion: Eine Bestimmung des Procalcitonin wird regelhaft zur Differenzierung von viralen und bakteriellen Infektionen und zur Verlaufsbeurteilung bei Sepsis durchgeführt. Procalcitonin ist ein Polypeptid aus 116 Aminosäuren, das physiologisch als Vorläufer des Calcitonins in den C-Zellen der Schilddrüse gebildet wird. Calcitonin gilt, neben dem CEA, als sensitiver Tumormarker für das MTC und wird auch als Verlaufsparameter eingesetzt [2]. Aktuelle Publikationen zeigen, dass sich auch die Bestimmung des Procalcitonin als Verlaufsparameter für das MTC eignet. Unsere Fallpräsentation veranschaulicht, dass Laborergebnisse nur im Kontext mit der Klinik interpretiert werden sollten und bei fehlender Plausibilität weitere, auch seltene Differentialdiagnosen erwogen werden müssen [3].
Literatur
- 1.
- Bojunga J. Ultrasound of Thyroid Nodules. Ultraschall Med. 2018 Oct;39(5):488-511. English. DOI: 10.1055/a-0659-2350
- 2.
- Censi S, Manso J, Benvenuti T, Piva I, Iacobone M, Mondin A, Torresan F, Basso D, Crivellari G, Zovato S, Mian C. The role of procalcitonin in the follow-up of medullary thyroid cancer. Eur Thyroid J. 2023 Jan 19;12(1):e220161. DOI: 10.1530/ETJ-22-0161
- 3.
- Sira L, Balogh Z, Vitális E, Kovács D, Győry F, Molnár C, Bodor M, Nagy EV. Case Report: Medullary Thyroid Cancer Workup Initiated by Unexpectedly High Procalcitonin Level-Endocrine Training Saves Life in the COVID-19 Unit. Front Endocrinol (Lausanne). 2021 Oct 11;12:727320. DOI: 10.3389/fendo.2021.727320