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Deutscher Rheumatologiekongress 2023

51. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh)
37. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie (DGORh)
33. Jahrestagung der Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie (GKJR)

30.08. - 02.09.2023, Leipzig

Glossodynien als Frühzeichen einer folgenschweren Erkrankung

Meeting Abstract

  • Markus Zeisbrich - Universität Freiburg, Rheumatologie und Klinische Immunologie, Freiburg im Breisgau
  • Reinhard Voll - Universität Freiburg, Rheumatologie und Klinische Immunologie, Freiburg im Breisgau
  • Nils Venhoff - Universität Freiburg, Rheumatologie und Klinische Immunologie, Freiburg im Breisgau
  • Karl-Moritz Schröder - Universität Freiburg, Department Pathologie, Freiburg im Breisgau
  • Ilona Jandova - Universität Freiburg, Rheumatologie und Klinische Immunologie, Freiburg im Breisgau
  • Sylvia Timme-Bronsert - Universität Freiburg, Department Pathologie, Freiburg im Breisgau

Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie. Deutsche Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie. Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie. Deutscher Rheumatologiekongress 2023, 51. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh), 37. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie (DGORh), 33. Jahrestagung der Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie (GKJR). Leipzig, 30.08.-02.09.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. DocFA.04

doi: 10.3205/23dgrh071, urn:nbn:de:0183-23dgrh0711

Veröffentlicht: 30. August 2023

© 2023 Zeisbrich et al.
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Gliederung

Text

Vorgeschichte: Eine internistisch gesunde 67-jährige Patientin hatte im Oktober einen Infekt der oberen Atemwege.

Leitsymptom bei Krankheitsmanifestation: Die Patientin stellte sich wegen neu aufgetretener Dysphagie und insbesondere bei der Nahrungsaufnahme auftretenden starken Zungenschmerzen (Glossodynie) in der HNO-Klinik vor.

Diagnostik: Inspektorisch zeigte sich eine gelblich verfärbte Zunge mit atrophen und nekrotischen Arealen, endoskopisch bestand der Verdacht auf eine obstruierende Vallekulazyste. Ein CT Schädel mit Kontrastmittel zeigt einen unauffälligen Befund. Laborchemisch fielen eine Leukozytose (16 Tsd/µl) und eine Thrombozytose (500 Tsd/µl) bei erhöhtem CRP (112 mg/l) auf. Eine Panendoskopie konnte die Diagnose einer Vallekulazyste nicht bestätigen, die histologische Untersuchung der obstruierenden Raumforderung zeigte eine eitrig-granulierende und ulzerierende Mukositis ohne Malignitätshinweise. Am Folgetag wurde ein nekrotisches Areal der vorderen Zunge von der Patientin verschluckt.

Therapie: Die Patientin wurde mit Ibuprofen, Pantoprazol und einer oralen Antibiose aus der HNO-Klinik entlassen.

Weiterer Verlauf: Bei der HNO-ärztlichen Kontrolluntersuchung nach 6 Wochen zeigten sich weiterhin erhöhte Entzündungsparameter. Bei neu aufgetretener Sehstörung wurden bei V.a. Riesenzellarteriitis eine Temporalarterienbiopsie veranlasst und eine hochdosierte intravenöse Therapie mit Methylprednisolon (250 mg/Tag) eingeleitet. Die farbkodierte Duplexsonographie und eine MR-Angiographie mit Black-Blood Sequenzen zeigten charakteristische vaskulitische Gefäßwandveränderungen an der linken Arteria vertebralis und beidseits an der Arteria temporalis superficialis. Nebenbefundlich zeigten sich supra- und infratentoriell mehrere akute bis subakute cerebrale Ischämieareale mit Hinweisen auf Schrankenstörungen, so dass die vorübergehende Überwachung auf der neurologischen Stroke Unit erfolgte. Die histopathologische Auswertung der Temporalarterienbiopsie bestätigte die bereits klinisch und bildgebend gestellte Diagnose einer Riesenzellarteriitis mit chronisch-aktiver Arteriitis mit Hyperplasie der Tunica intima, fokaler Fragmentation der Lamina elastica interna und Nachweis mehrkerniger Riesenzellen. Anschließend wurde eine steroideinsparende Behandlung mit dem IL6-Rezeptorblocker Tocilizumab eingeleitet. Die Entzündung der Arteria lingualis ist eine seltene, jedoch bereits vielfach beschriebene Manifestation der kraniellen Riesenzellarteriitis. Diese sollte auch HNO-Ärzten und Zahnärzten als Differentialdiagnose bei Glossodynien bekannt sein, um frühzeitig die RZA zu diagnostizieren und irreversible Schäden durch Zungennekrosen oder Visusverlust zu vermeiden.