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Deutscher Rheumatologiekongress 2022, 50. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh), 36. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie (DGORh), 32. Jahrestagung der Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie (GKJR)

31.08. - 03.09.2022, Berlin

Familie mit interstitieller Lungenerkrankung, Polyarthritis, Glomerulonephritis und Vaskulopathie: Diagnosestellung in der dritten Generation

Meeting Abstract

  • Laura Malz - Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, TU Dresden, Dresden
  • Min Ae Lee-Kirsch - Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, TU Dresden, Dresden
  • Brigitte Mayer - Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, TU Dresden, Dresden
  • Claudia Günther - Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, TU Dresden, Dresden
  • Kristina Stamos - Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, TU Dresden, Dresden
  • Reinhard Berner - Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, TU Dresden, Dresden
  • Normi Brück - Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, TU Dresden, Dresden

Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie. Deutsche Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie. Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie. Deutscher Rheumatologiekongress 2022, 50. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh), 36. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie (DGORh), 32. Jahrestagung der Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie (GKJR). Berlin, 31.08.-03.09.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. DocFA.25

doi: 10.3205/22dgrh112, urn:nbn:de:0183-22dgrh1120

Veröffentlicht: 31. August 2022

© 2022 Malz et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Vorgeschichte und Leitsymptome: Ein 10-jähriger Junge wurde mit einer progredienten pulmonalen Verschlechterung, Anämie und Chilblainläsionen zugewiesen. Der Indexpatient präsentierte sich mit einer Wachstumsverzögerung, hypertensiven Blutdruckwerten und Glomerulonephritis. Im Labor zeigten sich erhöhte Entzündungswerte, positive Werte für RF, ANA und MPO - Antikörper (> 740) sowie eine sehr starke Typ-1-Interferon-Aktivierung. Beim Kindsvater fielen livide verfärbte akrale Hautläsionen bei bekannter fibrosierender interstitieller Lungenerkrankung mit Beginn im 11. Lebensjahr auf.

Die Familienanamnese ergab ähnliche klinische Auffälligkeiten bei Großmutter und Tante väterlicherseits. Die Großmutter verstarb im Alter von 35 Jahren an einer interstitiellen Lungenerkrankung mit begleitender Rheumatoider Arthritis. Die Tante verstarb mit 20 Jahren ebenfalls an einer interstitiellen Lungenfibrose mit Glomerulonephritis und schwerer Polyarthritis.

Diagnostik: In der molekulargenetischen Untersuchung wurde eine obligat pathogene Variante im TMEM173-Gen (c.463G>A [p.Val155Met; V155M] heterozygot) nachgewiesen. Somit konnte innerhalb kürzester Zeit die klinische Verdachtsdiagnose SAVI gesichert werden.

Die STING-associated vasculopathy with onset in infancy ist eine seltene autoinflammatorische Erkrankung, welche durch eine gain-of-function-Mutation im TMEM173-Gen ausgelöst wird. Die beschriebene V155M-Variante liegt im Dimer-Interface des STING-Proteins (stimulator of interferon genes) und bewirkt eine Hyperaktivierung der Typ-1-Interferon-Achse. Klinisch zeigt sich meist ab dem Kleinkindalter eine systemische Inflammation und Vaskulopathie. Patienten präsentieren mit interstitieller Lungenerkrankung, Gedeihstörung, akralen Dermatosen und erhöhten akute-Phasen-Proteinen bei gesteigerter Interferonsignatur. Zudem können Anämie, Polyarthritis und chronische Nephritis auftreten. SAVI tritt bei unter einer von 1.000.000 Geburten auf und wird autosomal-dominant vererbt.

Therapie: Nach Diagnosesicherung wurde die Therapie mit dem Januskinaseinhibitor Ruxolitinib eingeleitet, welcher über die Hemmung des JAK-STAT-Signalweges den positiven Interferon-Feedback-Loop unterbricht. Aufgrund der Seltenheit der SAVI-Erkrankung (51 Fälle weltweit beschrieben) sind keine offiziellen Behandlungsleitlinien verfügbar, mehrere Case Reports beschreiben jedoch die Wirksamkeit von JAK-STAT-Inhibitoren.

Weiterer Verlauf: Unter Therapie normalisierte sich die starke Typ-1-Interferon-Aktivierung im Blut innerhalb von 28 Tagen. Klinisch zeigte sich eine respiratorische Verbesserung (FVC 59% auf 79%) und eine Verbesserung der Nierenretentionsparameter.

Fazit: Bei unklarer Diagnose und dem Symptomkomplex Chilblainläsionen und interstitielle Lungenerkrankung in Kombination mit weiteren Autoimmunphänomenen muss an sehr seltene Erkrankungen wie SAVI gedacht werden. Die genetische Diagnostik bietet die Grundlage für eine rasche, zielgerichtete Therapie.


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