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Therapierefraktäre Polychondritis oder doch etwas Genetisches?
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Veröffentlicht: | 31. August 2022 |
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Vorgeschichte: Ein 79-jähriger Patient wurde durch einen niedergelassenen Rheumatologen bei ätiologisch unklarer und therapierefraktärer entzündlicher Systemerkrankung stationär zugewiesen. An Vorerkrankungen sind eine manifeste Steroid-assoziierte Osteoporose und eine Lungenembolie bei tiefer Beinvenenthrombose bekannt.
Leitsymptom bei Krankheitsmanifestation: Der Patient berichtet seit einem Jahr von rezidivierenden Fieberschüben bis 38,5°C, Nachtschweiß, Abgeschlagenheit, ungewolltem Gewichtsverlust und Polyarthralgien. Zusätzlich waren Ohr- und Nasenknorpel seit etwa 14 Tagen druckschmerzhaft. In der Vergangenheit kam es wiederholt zu einem guten Ansprechen der Symptomatik auf Glukokortikoide. Klinisch imponierte eine zervikale Lymphadenopathie und eine Livedo reticularis an den Extremitäten.
Diagnostik: Neben einer hyperchromen, makrozytären Anämie zeigte sich eine Entzündungskonstellation mit Leukozytose (12,48/µl), Thrombozytose (405/µl), Hyperferritinämie (1965 ng/ml), deutlicher CRP-Erhöhung (150 mg/l) bei gering erhöhtem Procalcitonin (0,12 ng/ml). Extern erfolgte Knochenmark- und Lymphknotenbiopsien hatten keine wegweisenden Befunde ergeben. In der PET-CT zeigte sich eine flächige Mehrbelegung beider Ohrmuscheln und der knorpeligen Anteile des Nasenseptums. Darüber hinaus waren zervikale Lymphknoten vergrößert und vermehrt darstellbar. Die Haut- und Knorpelbiopsie der Ohrmuschel zeigte eine chronisch-granulierende Entzündung ohne Granulombildung, ohne vaskulitische Veränderungen. Bei Verdacht auf eine genetisch determinierte autoinflammatorische Erkrankung wurde eine genetische Diagnostik veranlasst.
Therapie: Unter hochdosierten Glukokortikoiden kam es wiederholt zu gutem Therapieansprechen, bei Dosisreduktion (Prednisolon <60 mg/Tag) jedoch zu erneuter Krankheitsaktivität mit Fieber, Exanthem, Abgeschlagenheit und Anstieg der Entzündungsparameter. Zuvor waren Tocilizumab, Upadacitinib, Adalimumab und Methotrexat ohne therapeutisches Ansprechen eingesetzt worden. IL1-Blockade mit Anakinra führte zwar zu einer Symptomreduktion, musste jedoch wegen Hautreaktion an der Injektionsstelle beendet werden.Weiterer Verlauf: In der Sanger-Sequenzierung aus Granulozyten von Exon 3 des UBA1 Gens wurde eine Mutation (c121.T>C, p.Met41Thr) nachgewiesen, so dass die Diagnose eines VEXAS-Syndroms (Vakuolen, Ubiquitin-aktivierendes E1-Enzym, X-chromosomal bedingt, autoinflammatorisch, somatisch) gestellt wurde [1]. Dieses durch somatische Mutationen verursachte Krankheitsbild manifestiert sich bei Männern mit makrozytärer Anämie und Autoinflammation, häufig mit Hautbeteiligung und Polychondritis. Aufgrund des hohen Steroidbedarfs wurde eine Therapie mit Canakinumab eingeleitet. Hierunter kam es zu einer guten Symptomkontrolle mit guter Verträglichkeit auch unter weiterer Glukokortikoid-Reduktion.
Offenlegungserklärung: Die Autoren erklären, dass keine Interessenkonflikte bestehen.
Literatur
- 1.
- Beck DB, Ferrada MA, Sikora KA, Ombrello AK, Collins JC, Pei W, Balanda N, Ross DL, Ospina Cardona D, Wu Z, Patel B, Manthiram K, Groarke EM, Gutierrez-Rodrigues F, Hoffmann P, Rosenzweig S, Nakabo S, Dillon LW, Hourigan CS, Tsai WL, Gupta S, Carmona-Rivera C, Asmar AJ, Xu L, Oda H, Goodspeed W, Barron KS, Nehrebecky M, Jones A, Laird RS, Deuitch N, Rowczenio D, Rominger E, Wells KV, Lee CR, Wang W, Trick M, Mullikin J, Wigerblad G, Brooks S, Dell'Orso S, Deng Z, Chae JJ, Dulau-Florea A, Malicdan MCV, Novacic D, Colbert RA, Kaplan MJ, Gadina M, Savic S, Lachmann HJ, Abu-Asab M, Solomon BD, Retterer K, Gahl WA, Burgess SM, Aksentijevich I, Young NS, Calvo KR, Werner A, Kastner DL, Grayson PC. Somatic Mutations in UBA1 and Severe Adult-Onset Autoinflammatory Disease. N Engl J Med. 2020 Dec 31;383(27):2628-38. DOI: 10.1056/NEJMoa2026834