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Multisensibel und doch so tückisch
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Veröffentlicht: | 9. September 2020 |
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Text
Vorgeschichte: Ein 52-jähriger Patient wurde aufgrund eines Overlap-Syndroms aus ANCA-negativer Kleingefäßvaskulitis (Colonbeteiligung, axonale Polyneuropathie) und RF-positiver rheumatoider Arthritis mit Rituximab und low-dose Prednisolon behandelt. Während einer Umstellung auf subkutanes Tocilizumab aufgrund rezidivierender Arthritis zeigte sich ein progredienter CRP-Anstieg von 1,4 mg/dl auf max. 4,9 mg/dl innerhalb mehrerer Monate.
Leitsymptom bei Krankheitsmanifestation: Fünf Wochen vor Aufnahme beklagte der Patient eine zunehmende Minderung des Allgemeinzustands, Fatigue, Leistungsknick und persistierende polymyalgiforme Beschwerden, zuletzt mit intermittierenden subfebrilen Temperaturen. Unter Tocilizumab-Pause und passagerem Prednisolonstoß zeigte sich der CRP-Spiegel initial bei entzündlicher Laborkonstellation (grenzwertige Leukozytose, Thrombopenie, mikrokzytäre Anämie) nur gering erhöht (1,4 mg/dl).
Eine eindeutige Infektsymptomatik gab der Patient nicht an, dennoch wies ein CT mehrere Milzläsionen ohne weitere Hinweise auf einen Infektfokus nach. Bei Verdacht auf eine embolische Genese bestätigte sich eine 37 mm große, hochmobile Vegetation an der Aortenklappe. Nach Materialgewinnung für die Mikrobiologie erfolgte eine empirische Antibiose mit Ampicillin/Sulbactam und Gentamicin. Aufgrund der Vegetationsgröße und hochgradiger Klappeninsuffizienz erfolgte eine notfallmäßige mechanische Klappenersatz-OP mit gutem Ergebnis.
Nach zunächst komplikationslosem Verlauf kam es am dritten postoperativen Tag zu einem Subileus mit progredienter Symptomatik. Während einer notfallmäßigen Laparoskopie kam es zu einem schweren septischen Schock mit disseminierter Gerinnungsstörung, nachfolgend hämorrhagischen Tamponadezeichen mit wiederholten herzchirurgischen Operationen und letztendlich einem therapierefraktärem Multiorganversagen mit letalem Ausgang.
Weiterer Verlauf: Fünf Blutkulturen sowie die mikrobiologische Aufarbeitung des OP-Präparates bestätigen einen Nachweis von Abiotrophia defectiva. Hierbei handelt es sich um einen selten nachweisbaren, in vitro multisensiblen, in vivo gelegentlich therapieresistenten Keim der Streptokokkengruppe, der verschiedene Infektionen (z.B. Endokarditis, Osteomyelitis) verursachen kann. Bei Endokarditis führt dieser trotz früher Diagnostik und adäquater Therapie häufig zu schweren Klappendestruktionen, die mit einer erhöhten Mortalität und Notwendigkeit der operativen Sanierung assoziiert sind. In der Obduktion des Patienten bestätigen sich unterschiedlich alte septische Embolien in Milz, Niere und Darm sowie eine Rezidivendokarditis der Mitralklappe.
Bei unklarer Befundkonstellation ist eine Infektion differenzialdiagnostisch bei immunsupprimierten Patienten stets zu erwägen; hierbei sind auch atypische Keime zu berücksichtigen.
Disclosures: None declared