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Raynaud-Syndrom bei Hodentumor
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Veröffentlicht: | 9. September 2020 |
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Vorgeschichte: Anfang September 2019 hatte sich der bis dahin vollständig gesunde, 26-jährige Patient wegen einer schmerzhaften Schwellung des linken Skrotalfaches in der Urologie vorgestellt. Bei palpatorisch und sonografisch Malignom-verdächtigem linken Hoden und deutlich erhöhten Tumormarkern (AFP und ß-HCG) erfolgte eine linksseitige Orchieektomie. Histologisch wurde ein germinaler Mischtumor diagnostiziert (TNM: pT2 V1 L0 R0). Im Staging-CT 01/2020 bestand der Verdacht auf eine paraaortale Lymphknotenmetastase und bei ansteigenden Tumormarkern wurde eine Chemotherapie nach dem BEP-Schema begonnen (3 Zyklen á 21 Tage, Tag 1-5: Cisplatin 20 mg/m² KOF und Etoposid 100 mg/m<up>² KOF, Tag 1, 8 und 15: Bleomycin 30 mg).
Leitsymptom bei Krankheitsmanifestation: Wenige Stunden nach der ersten Chemotherapie-Infusion fielen dem Patienten kalte, livide und schmerzhafte Fingerkuppen auf. Nach der Aufnahme zum 3. Chemotherapie-Zyklus erfolgte konsiliarisch eine rheumatologische Untersuchung (44. Tag nach Chemotherapie-Beginn), bei der ein Raynaud-Syndrom bei Raumtemperatur, eine Sklerodaktylie beidseits (mRSS 5) mit beginnenden PIP-Kontrakturen und Ulzerationen an den Digiti I-III links und dem Digitus II rechts gesehen wurde. Die Chemotherapie wurde nach dem 2. Chemotherapie-Zyklus (kumulativ 180 mg Bleomycin) ausgesetzt und der Patient in die Rheumatologie übernommen.
Diagnostik: Die weitere körperliche Untersuchung, das kardiopulmonalen Staging sowie eine Duplexsonografie der Hand- und Unterarm- gefäße waren unauffällig. Die Kapillarmikroskopie erbrachte einzelne rarefizierte Felder, Megakapillaren und Ektasien mit Einblutungen im Sinne eines aktiven Musters. Der ANA-Test zeigte ein nukleolär-homogenes Muster mit einem Titer von 1:5120 und die ENA-Differenzierung war positiv für Anti-Pm-Scl100- und Anti-Centromer-Antikörper. Wir diagnostizierten eine Bleomycin-induzierte systemische Sklerose.
Therapie: Bei symptomatischem Raynaud-Syndrom und digitalen Ulzerationen erfolgte die parenterale Gabe von Ilomedin über 7 Tage. In Abstimmung mit den Kollegen der Urologie wurde die Chemotherapie bei normwertigen Tumormarkern beendet.
Weiterer Verlauf: Bleomycin kann als seltene Nebenwirkung eine systemische Sklerose induzieren. Tierexperimentell wird Bleomycin in Mäusen [1] und Ratten [2] zur Induktion einer systemischen Sklerose verwendet. In der Literatur sind fünf Fälle von Bleomycin-induzierter systemischer Sklerose mit positiven ANA Antikörpern beschrieben, die klinisch im Verlauf überwiegend rückläufig waren (3 von 5 Fällen [3]).
Auch bei dem hier geschilderten Fall war die Sklerodermie und das Raynaud-Syndrom nach dem Absetzen der Chemotherapie rückläufig und die Ulzerationen zeigten eine gute Heilungstendenz.
Disclosures: Keine Interessenkonflikte
Literatur
- 1.
- Yamamoto T, Takagawa S, Katayama I, Yamazaki K, Hamazaki Y, Shinkai H, Nishioka K. Animal Model of Sclerotic Skin. I: Local Injections of Bleomycin Induce Sclerotic Skin Mimicking Scleroderma. Journal of Investigative Dermatology. 1999;112(4):456-62. DOI: 10.1046/j.1523-1747.1999.00528.x
- 2.
- Mountz JD, Downs Minor MB, Turner R, Thomas MB, Richards F, Pisko E. Bleomycin-induced cutaneous toxicity in the rat: Analysis of histopathology and ultrastructure compared with progressive systemic sclerosis (scleroderma). The British Journal of Dermatology. 1983;108(6):679-86. DOI: 10.1111/j.1365-2133.1983.tb01080.x
- 3.
- Inaoki M, Kawabata C, Nishijima C, Yoshio N, Kita T. Case of bleomycin-induced scleroderma: Letters to the Editor. The Journal of Dermatology. 2012;39(5):482-4. DOI: 10.1111/j.1346-8138.2011.01301.x